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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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einmal die Berge, die ich durchwandert hatte; ich sah die Milchstraße, ich sah die Galaxien, und dann mußte ich an Sie denken und an Ihr Teleskop. Als wir schließlich einen Bus anhalten konnten, kam er aus Acapulco und fuhr durch bis nach Monterrey.
    Aus der Küche haben sie Blick über die Felder; längs der Gräben stehen ein paar Erlen, weiter hinten, seit die alte Ulmenreihe durch Pilzbefall niedergestreckt wurde, ist ein Gehöft zu sehen.
    Sie stehen an der Arbeitsplatte, bestreichen das Huhn mit Marinade, streuen Rosmarin auf die Kartoffelecken. Als das Blech im Ofen ist, dekantiert Willem eine Reserva, Barbara umwickelt Datteln. Aus dem Radio spielt Kammermusik von Schubert, sie rösten Kürbiskerne, schneiden Salat, dann stoßen sie an. Zur vollen Stunde werden Nachrichten gesendet, die international mit Bankrotterklärungen und Börseneinbruch beginnen. Als dann aus Deutschland berichtet wird, von neuen Fracking-Skandalen, Dioxinfunden in Lebensmitteln, von außer Kontrolle geratenen gentechnologischen Experimenten und zuletzt von einem aufgeflogenen Coup, bei dem der Öffentlichkeit Scheinterroristen geliefert werden sollten zur Festigung neuer Gesetze, schaltet Willem aus.
    Barbara schaut ihn an.
    Es hört nicht auf. Und es potenziert sich unablässig.
    Sie lächelt. Dann gibt sie ihm einen Kuß, und während im Ofen das Hühnchen röstet, legt Willem kubanischen Mambo auf, und sie tanzen.
    Beim Essen sagt Barbara: Hast du Steiner noch einmal gesehen?
    Nein.
    Diese große Frau?
    Auch nicht.
    Dann sagt sie: Wir fahren die Tage nach Leipzig.
    Ist schon wieder Messe?
    Ja.
    Er nimmt eine Dattel. Jake ist auch in Leipzig.
    Barbara macht ein Gesicht. Visconti kommt zur Messe, die Favoris und vielleicht auch mein Kykladenreeder. Für Jake werde ich keine Zeit haben.
    Schon gut.
    Wir bringen dir ein schönes Gewebe mit. Inéz hat schon einen Schnitt im Kopf.
    Etwas Klassisches?
    Was denkst du denn. Und du kümmerst dich um Katja?
    Mach ich.
    Katja ist blaß; sie hat Ringe unter den Augen, und seit Boris zurück ist, kommt sie ständig in den Spitzgiebel und raucht. Boris liegt im Krankenhaus, und die Ärzte haben vorab von jedem Besuch abgeraten. Mehr sagt Katja nicht. Sie will auch nicht nach Hause, und zwischen den Zigaretten arbeitet sie wie besessen.
    Zum Feierabend hat Willem Wein besorgt und ein Taxi bestellt. Das Teleskop steckt in einer Tasche, und so steigen sie hinterm Marktplatz ein. Sie sprechen kaum, während das Taxi nordwärts zieht. Hinter Rönnebeck sind die letzten Höfe abgerissen, auch die alten Eichen stehen nicht mehr. Die Gaststätte ist vernagelt, doch als sie in die Sielstraße biegen, dampft vor dem Hof ein Misthaufen, und ein Kettenhund schlägt an. Im Dämmerlicht sehen sie Fledermäuse über dem Bunker, dann dirigiert Willem unterm Deich entlang. An der Wurt steigen sie aus. Der Fahrer verspricht, sie wieder abzuholen.
    Es ist Neumond. Hinterm Deich erschaffen die Gezeiten eine Grauzone, und ringsherum wird die Welt von Dunkelheit erfaßt. Willem erzählt, wie sie damals von der Oberon aus in die Nacht gesehen haben, und als sie durchs Teleskop blicken, öffnen die Lichter über ihnen Raum um Raum. Sie schweigen lange; manchmal hören sie einen Frosch oder einen Nachtreiher, quak oder quok, und Katja kann entspannen. Sie lehnen gegen die Mauerreste der Kate, der Wein ist weich und fruchtig.
    Boris hatte einen Detektiv beauftragt, und nach der Landung in Frankfurt ließ er sich zu ihm bringen. Der Detektiv hatte herausgebracht, wo Tatjana arbeitet, und so fuhr Boris zu der Bank. Er bat darum, seine Tochter zu sprechen, mußte sich ausweisen, und dann wurde ihm mitgeteilt, seine Tochter säße in einer Besprechung. Am Nachmittag hatte Tatjana einen Termin, und am nächsten Morgen war sie bereits wieder außer Haus. Daraufhin kam Boris mit einem selbstgebauten Plakat wieder. Tatjana, hatte er raufgemalt. Für die Seele Deiner Mutter. Sprich mit uns. Die Polizei kam, und er mußte sich vom Eingang der Bank entfernen. Einen Tag später war er wieder da. Er holte ein Brett hervor und ein Fleischerbeil. Er baute sein Plakat auf, und dann setzte er sich hin und hackte sich einen Finger ab.
    Es quakt oder quokt in die Stille, und über ihnen der Raum ist ein offenes Tor.
    Nach einer Zeit sagt Willem: Hat Ihre Tochter sich gemeldet?
    Sie blickt auf gegen den Sternenhimmel. Ernst

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