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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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unsichtbar halten kann. Ein Mann, wie es scheint, der die Anforderungen aus der Geschichte stets in eigenen Nutzen umwandelt, und so geht er auch mit den Möglichkeiten heutzutage um; er taucht auf aus der weltweiten Rasanz und verschwindet wieder in ihr.
    Die Männer sehen einander an.
    Wir konnten bislang nicht eine Banalität über den Privatmenschen von Wrangel beziehungsweise Steiner aufdecken. Alles, was wir haben, ist sozusagen amtlich; seine Trauzeugenschaft bei der Heirat Ihrer Eltern, seine Promotionen und, wenn man so will, auch seine Unterschrift auf dem zweiten Totenschein Ihres Vaters. Zudem haben wir rausgefunden, daß er unter den Nazis als Wissenschaftler wirkte und daß es Spuren gibt, die womöglich bis in die Konzentrationslager führen. Doch richtig greifbar sind diese Spuren nicht, und bereits vorm Ende des Dritten Reichs scheint von Wrangel vollständig aufgelöst.
    Erst viel später tauchen wieder amtliche Vermerke über diesen Mann auf, diesmal aus der DDR , und wieder in seiner Funktion als Wissenschaftler. Von Wrangel wurde zum Leiter eines Fischkombinats berufen und war zugleich Chefichthyologe der Republik. Wir konnten nachweisen, daß er auf internationale Kongresse fuhr, fachlich einen exzellenten Ruf genoß und auch regelmäßig nach Moskau geladen wurde. Wie es scheint, stellte ihn der Kreml auch für ein Geheimprojekt ab, bei dem er volle Rückendeckung genoß, und in diesem Zusammenhang gibt es Spuren, die von Wrangel mit dem Georgischen Schädel in Zusammenhang bringen könnten. Doch auch diese Spuren sind kaum greifbar, und zur Wende hin scheint von Wrangel sich dann erneut vollständig aufgelöst zu haben. Seit jener Zeit sind wir auf nichts mehr gestoßen, das seine Fortexistenz beweisen könnte. Und ums dramatischer zu machen: Als Steiner scheint er überhaupt nicht zu existieren; das Photo ist alles, was wir über diesen Mann rausgebracht haben. Den Rest wissen wir von Ihnen: Erhard Steiner, ein alter Geschäftsfreund Ihrer Mutter und Ihres Stiefvaters.
    Willem sitzt da. Dann sagt er: Und der Tod meines Vaters?
    Soweit sind wir noch nicht.
    Und Kronhardt?
    Soweit sind wir noch nicht.
    Und die anderen Toten? Wenn von Wrangel in Ichthyologie und Kryptozoologie promoviert hat, müssen sich doch Zusammenhänge herstellen lassen.
    Theoretisch.
    Und die große Frau, der große Mann?
    Immerhin haben wir auch Photos von ihnen.
    Sonst nichts?
    Und sie sehen Willem an. Sie haben Angst, oder?
    Ihr Kaffee ist ausgezeichnet.
    Schnaps dazu? Uns ist da ein ganz außerordentlicher Brandy zugefallen. Spezialanfertigung für Johanna die Wahnsinnige.
    Fünfhundert Jahre alter Brandy? Warum nicht.
    Und so sitzen die Männer.
    Willem sagt: Nicht um mich. Und nach einer Zeit: Halten Sie Angst für übertrieben?
    Wir stecken doch nicht in Ihnen drin.
    Willem sitzt da, und der Brandy ist tatsächlich ganz außerordentlich. Er schlägt den Globus an und lächelt, als die Kugel sich verfinstert.
    Bald geht einer der Ramows wieder ans Fenster und photographiert. Der andere gibt Befehle mit der Maus.
    Willem sagt: Wie sicher ist es denn, daß von Wrangel am Georgischen Schädel war?
    Wir halten es für wahrscheinlich.
    Ob er was rausgebracht hat?
    Das können wir nicht sagen.
    Meinen Sie nicht, daß das Weltgeschehen sonst anders verlaufen wäre?
    Dazu wissen wir zuwenig. Im Moment könnte es genausogut sein, daß von Wrangel etwas über den Schädel herausgebracht, es den Russen aber nicht verraten hat. Wie gesagt, er scheint uns ein Mann zu sein, der die Anforderungen aus der Geschichte stets zum eigenen Nutzen wandelt.
    Der Motor surrt, vom Schreibtisch klappert die Tastatur.
    Haben Sie denn Angst?
    Nicht um uns.
    Es ist Sonnabendmittag, am Bahnhof herrscht Gewimmel. Von den Gleisen abwärts in die große Halle schwingen Gesänge auf, und Willem sieht die Anhänger eines Fußballvereins. Sie erscheinen wie eine Truppe, marschieren trunken wie im Siegesrausch, und die Polizei hat bis über den Vorplatz eine Gasse gebildet. Und kaum sind die ersten Schlachtenbummler verschmiert im Getriebe der Stadt, laufen schon die nächsten Züge ein, und die Polizei formiert sich wieder.
    Willem hat Mühe voranzukommen; die Informationen aus den Lautsprechern sind nicht zu verstehen, und auf der Tafel liest er eine Gleisänderung für den Zug aus Leipzig. Als er den Bahnsteig schließlich

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