Kronhardt
erreicht, werden die Waggontüren gerade geöffnet, und Barbara und Inéz steigen aus. Er umarmt die Frauen.
Dann sieht Barbara ihn an: Ist was passiert?
Ich freue mich nur.
Neuigkeiten?
Ein biÃchen, von den Detektiven. Und Katja darf Boris heute besuchen.
Willem nimmt zwei Koffer, und als sie unten sind, hat die Polizei schon wieder eine Gasse gebildet, und grölende Anhänger marschieren. Willem stellt die Koffer ab, und sie bleiben am Tisch eines Stehcafés.
Inéz sagt plötzlich: Er ist hier.
Wer?
Steiner. Ich kann es spüren.
Willem sieht die Spanierin an. Die Auster, die Fledermaus.
Sie schüttelt sich einmal. Ich möchte hier raus.
Gleich. Und dann sieht er im Strom der Anhänger die groÃe Frau. Sie ist elegant gekleidet und zieht einen Koffer hinter sich her. Der Eindruck ist stark, und Willem spürt, wie er bleich wird. Kurz darauf geht auch der groÃe Mann vorbei. Er trägt einen hellen Anzug, und auch er zieht einen Koffer.
Willem sagt: Ich bin gleich wieder da. Wenn Steiner auftaucht, laÃt euch auf nichts ein. Nehmt nichts von ihm.
Inéz sieht aus, als wollte sie schreien. Dann drückt sie einmal seine Hand.
Flankiert von der Polizei, stöÃt Willem ins Gewimmel. Es scheint leicht, in den grölenden Truppen unterzutauchen, und so behält er den groÃen Mann im Auge. Sieht bald, wie seine kräftige Gestalt sich aus der Menge löst, den Koffer greift und die Treppen zum Gleis 6 nimmt.
Als Willem den Bahnsteig erreicht, schlendert er durch die Wartenden; geht an den Bänken vorbei, am Kaffeeautomaten und an der Raucherzone. Die Frau und den Mann kann er nicht entdecken. Auf den Anzeigetafeln sieht er, daà die nächsten Züge von hier bald abfahren. Einer nach Norddeich, der andere Richtung Harz, und plötzlich steht von Wrangel vor ihm. Willem wird bleich. Doch er lächelt und sagt mit fester Stimme: Von Wrangel also.
Von Wrangel steht da. Ein kleiner Mann mit Hut, und seine Augen hinter der Goldrandbrille funkeln. Der Stock in seiner Hand tanzt, als könnte er sich damit jederzeit Freiraum verschaffen. Er sagt: Ihre Frau ist aus Leipzig eingetroffen. Sie sollten Sie nicht so lange allein lassen. Wenn soviel Aufmarsch ist im Bahnhof, kann viel passieren.
Willem wird noch bleicher.
Von Wrangel läÃt seinen Stock weiter tanzen, und wie ein Florett steht die Spitze bald gegen Willem. Der Alte sagt: Mit Ihrem Stiefvater bin ich einig geworden. Dann lacht er einmal mit hoher Stimme. Wenn Ihre Mutter noch lebte, hätten wir sicher eine andere Regelung gefunden. Und dann ertönen die Lautsprecherdurchsagen, ein Zug rollt ein, und von Wrangel löst sich auf im Strom der Passagiere.
Zum Abend sitzen sie bei Hector Luna. Die Flammen züngeln durch den Mauerbogen, sie essen Kaninchen à la Chihuahuense, der Wein ist schlank mit einem reizvollen, sich fein verästelnden Abgang.
Barbara hat mit Katja Bloch telefoniert; ihr Mann sei auf eine geschlossene Abteilung verlegt worden und wirke bis in seine Grundfesten erschüttert.
Und Ernst Delitzsch habe sich bei Katja gemeldet. Auf Wunsch der Bank habe er mitgeteilt, daà Tatjanas Arbeitgeber sich vorbehalte, gerichtlich gegen Boris vorzugehen. Ein Anwalt befasse sich bereits mit der Angelegenheit und prüfe die rechtlichen Mittel, die Mitarbeiter vor weiteren seelischen Grausamkeiten zu beschützen.
Nach dem Kaninchen gibt es Mango, und als die Gäste aus dem nahe gelegenen Theater einfallen, bleiben sie wie verkapselt in der Nische, Rausch und Lachen dringen kaum zu ihnen. Sie sind sich einig, Katja und Boris zu helfen, und Willem überlegt sogar, die Ramows auf den Fall anzusetzen.
Später erzählen die Frauen von der Messe, und manchmal kommt eine Art Heiterkeit auf. Doch sie bleiben sehr ruhig, die Paare eng beieinander, und vor allem Inéz hat ein auÃergewöhnliches Bedürfnis nach Nähe. Manchmal scheint es, als wäre noch das Geborgensein in Hectors Armen nicht ausreichend, und schlieÃlich sagt sie: Ich habe Angst.
Barbara drückt Willems Hand, Hector nimmt den Kopf der Spanierin.
Nach einer Zeit sagt Willem: Sie hatten Gepäck dabei, alle drei. Und es ist wahrscheinlicher, daà sie abgefahren sind, als daà sie ihre Abfahrt nur vorgetäuscht haben.
Inéz sieht ihn an, und einen Augenblick glaubt er wieder, sie würde schreien.
Rings war Gewimmel, sagt er dann. Und von Wrangel hatte keine Mühe, sich zu
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