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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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behaupten. Ich konnte seinen Stock noch in der Nähe eines Waggons sehen, und ich meine, sie sind abgefahren. Alle drei.
    Das Land unter dem Himmel wirkt silbrig; die schlängelnde Chaussee, die Auwaldreste liegen in dunstigem Morgen. Willem sitzt ins Leder gesunken, Barbara raucht; sie spüren die Schwingungen aus der anrückenden Stadt.
    Im Atelier nehmen sie einen Kaffee; die Spanierin lächelt, und bevor Willem geht, streicht er einmal über ihren Kopf. Oben sitzt nur Laschek im Büro. Er spricht über das Headset, lacht, bearbeitet den Bildschirm.
    Wenn im Spitzgiebel die Sonne durchdringt, vertiefen die Schatten an der Wand, und hinter den Sprossenfenstern sieht er Manilahanf und Blöcke. So liegt er auf dem Sofa; bald steht der Kaktus in silbrigem Licht, der Jawlensky changiert in vertrauter Art oder die Farben im Rothko erstarren. Später kommt Katja auf einen Kaffee. Als sie die Tür öffnet, ziehen die Sprossen von der Wand; die Blöcke schaukeln in leichter Brise. Sie raucht; am frühen Morgen bekam sie einen Anruf von Boris, und am Mittwoch wird sie ihn wieder besuchen. Katja läßt ein paar Akten auf seinem Schreibtisch, er drückt ihre Hand. Danach klingelt zweimal das Telefon, und beide Male ist es Deutschmeister, der Kronhardt sprechen will. Willem gelingt es nicht, Deutschmeister durchzustellen.
    Zu verabredeter Zeit hat er frischen Kaffee fertig, und Ulrike Striebeck erscheint. Sie sitzen am Schreibtisch und planen an einer Alternative zu Juárez. Zu Mittag haben sie aus einer Liste drei Großstickereien herausgesucht, die Ulrike demnächst besuchen will. Sie einigen sich über Art und Modalitäten eines Probeauftrags, dann lädt Willem sie zum Essen beim Italiener ein.
    Als sie das kleine Restaurant wieder verlassen, regnet es. Die Luft ist wärmer geworden, der Druck gefallen, und noch bevor sie das Speicherhaus erreichen, wird der Regen heftig.
    Barbara kommt, während er sich abtrocknet. Mit wildem Haar und nacktem Oberkörper steht er da.
    Wo ist Robert?
    Was weiß ich.
    Er ist nicht gekommen.
    Vielleicht ist er bei Deutschmeister.
    Deutschmeister sucht ihn auch.
    Und zu Hause?
    Er nimmt nicht ab.
    Weiß Laschek nichts?
    Nein.
    Willem sieht die Falten auf ihrer Stirn. Er zieht sich frische Sachen an, holt das alte Jackett von Roderick hervor. Dann sieht er durch die Scheiben und hängt es zurück. Wo haben wir einen Schirm?
    Ich komme mit.
    Wozu?
    Vielleicht sitzt er mit von Wrangel zusammen.
    Du glaubst also auch, daß sie nicht abgefahren sind?
    Doch Barbara ist bereits auf dem Weg nach unten.
    Der Regen trifft sie von der Seite, und er überläßt Barbara den Schirm. Als sie das Hartmann-Haus erreichen, ist Willem wieder durchnäßt.
    Sie klingelt, dann streicht sie ihm eine Strähne aus der Stirn. Sie klingelt noch mal, aber niemand öffnet. Als Willem den Schlüssel hervorholt, läßt er sich nicht einführen. Sie sehen einander an und gehen abwärts den schmalen Gang zur alten Produktion. Über Dekaden hinweg stand das Rattern der Jahrestage hinter dieser Tür, jetzt ist die Stille beklemmend. Willems Handgriffe sind eingefleischt; die Lampen bescheinen die Spuren des alten Maschinenparks, der Boden ist nackt. Hultschineks Kabäuschen steht noch und auf der Feuertür die Fraktur seines Großvaters. Ihre Schritte auf der Wendeltreppe hallen, Barbara ruft nach dem Alten. Im Flur sehen sie, daß der Schlüssel in der Haustür steckt; Mantel und Hut hängen am Haken. Der Geruch und die Stille sind bedrückend, sie spüren die Phantome der Vergangenheit. Barbara ruft noch einmal, dann nimmt sie Willems Hand.
    Kronhardts Puschen stehen ausgerichtet vor dem Sofa. Programmzeitung und Fernbedienung liegen auf dem Eichentisch; Mineralwasser und Glas auf einem Untersetzer, in einer Schale Salzstangen. Sie lauschen und hören nichts. Und als Barbara sich plötzlich umdreht, steht niemand hinter ihnen.
    Die Tür zum alten Büro ist angelehnt. Körniges Licht überzieht die zwei Hälften, und Schreibtische und Registraturen erscheinen wie wuchtige Schatten. Nur im hinteren Bereich, wo Helligkeit durch die Schiebetüren fällt, erscheinen die Dinge abgegrenzt. Die Rollen sind geölt, die Türen gleiten beinah lautlos auseinander. Kronhardt ist zusammengesackt; seine Hände in den Stuhllehnen, der Kopf liegt in der Arena. Die kleinen Lichter sind eingeschaltet, sein Gesicht

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