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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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anfährt.
    Zum Abend hin wiegen die Köpfe der Passagiere im Takt der Gleise. Die Kinder schlafen, und auch die Truthühner halten die Köpfe verborgen. Nur gelegentlich noch ruft eine Ziege.
    Die Nacht ist weich; Ananas-, aber auch Vanillespuren durchziehen die Luft, die Sternbilder über den Männern erscheinen fremd. Der Bursche hat ihnen Decken besorgt, und sie machen es sich auf dem Perron bequem.
    Am nächsten Morgen weckt sie der Duft von frischen Fladen und Kaffee. Die Passagiere sind bereits wach, sie laufen umher, reden in ihrem Singsang, gestikulieren. Der Zug nimmt Auffahrt in Vulkanland; manchmal blitzen Adern aus Obsidian, manchmal langt der erstarrte Ausfluß bis an die Gleise. Nach dem Frühstück wird das Land wellig; verstreute Lehmhütten sind zu sehen, kleine Maisfelder und Kakteen. Ein Ochsengespann bricht den harten Boden, und bis an den Horizont, wie blaue Tupfen, stehen Agaven. Die Passagiere beraten sich, schließlich wollen sie aussteigen.
    Die Alten lassen die Erde durch ihre Hände, die Kinder sind munter. Auch die Truthühner und Ziegen scheinen ergriffen, und die Bündel neben den Gleisen sehen aus wie das Rüstzeug ewiger Siedler. Die Männer winken vom Perron.
    Der Bursche hat frischen Käse dabei, und während er Kakao pumpt, zeigt er voller Freude in das Land. Hier müsse der Zug auf seinem Weg in die Hauptstadt durch, hier sei ihm die Welt vertraut. Und auch der Lokführer habe versichert, sie würden mit der Dämmerung einlaufen. Ganz nach Plan.

7
    Die Scheiben von Sonne und Mond stehen einander gegenüber, der Himmel erscheint von endloser Tiefe. Der Zug hat einen Paß genommen und zieht durch eine Hochebene, die ins Violette verschoben daliegt. Rings das Gestein ist geschliffen, an den schroffen Auswüchsen sind Windfurchen zu sehen, aber auch Flechten und Wüstenlack. Von den Rändern der Ebene steigen die Kordilleren, und noch in der Ferne drängen zackige Gipfel gegen den Raum. Manchmal kreisen Geier in der Thermik oder ein Antilopenhase sitzt zwischen den Kakteen, und einmal entdecken die Männer ein halb aus dem Fels geschnittenes Fossil. Ansonsten erscheint die Welt um sie herum leer; keine Hütten, keine Spuren von Menschen, nichts.
    So verzieht hinterm Perron der Raum, und im schlagenden Takt öffnet sich den Männern stets Neues. Sie stehen am Geländer, Willem im Blick der Ramows. Und? sagen sie.
    Er schweigt noch eine Zeitlang. Die Wunder dieser Welt werden nicht weniger. Auch wenn wir älter werden.
    Das hat Ihr Vater gesagt, oder?
    Ja. Und dann: Ich möchte wissen, wie es Barbara geht.
    Bah. Um Ihre Frau brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
    Das sagen Sie so.
    Wir kriegen ja auch mit, wie es zugehen kann in der Welt. Hier ist Chaos, da ist Ordnung, und woanders nehmen die Leute alles, wie es kommt. Da sollte es doch möglich sein, daß Ihre Frau die ganze Zeit im Speicherhaus sitzt und sich darauf freut, Sie späterhin noch bei Hector Luna zu treffen.
    Willem lacht. Späterhin ist gut. Wann habe ich aus Ihrem Büro mit Barbara telefoniert? Wann hat sie mir vom Durchbruch des Georgischen Schädels erzählt? Wann sind wir am Martinianleger an Bord gegangen?
    Die Ramows grinsen. Vielleicht würde Ihre Frau Ihnen antworten, daß es vorhin war.
    Nach einer kleinen Mahlzeit machen die Männer es sich auf dem Perron gemütlich. Die Luft ist milde, und die Eisenbahn zieht gemächlich dahin.
    Zurück zu von Wrangel, sagen die Detektive.
    Lange bevor der Westen von den Phänomenen rund um den Georgischen Schädel erfuhr, brachten ihn die Russen in die Bathysphäre und erwarteten, daß von Wrangel seiner Verantwortung gerecht würde. Fest steht, daß sie ihn in keinen Gulag verbrachten, so daß er wahrscheinlich nicht auf ganzer Linie versagt haben wird. Genauso wahrscheinlich ist, daß er nichts aus dem Schädel herausgeholt hat, was den Sowjetvölkern zur alleinigen Weltmacht hätte dienen können. Ob er aber aus den Phänomenen des Schädels etwas für sich oder den einen oder anderen Genossen ziehen konnte, wissen wir nicht. Und wenn, dann war es wiederum sehr wahrscheinlich nichts Überweltliches.
    Nach unseren Erkenntnissen verblieb der Schädel mehrere Jahre in der Bathysphäre, und der Stab um von Wrangel war hochkarätig und von scharf überwachter Linientreue. Von Wrangel selber fungierte nebenher als Kombinatsdirektor, er

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