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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Hultschineks Blechdose stibitzte, saßen die Alten bereits im Wohnzimmer. Der Fernseher beleuchtete den Bauern- und Jägerstil, und ihnen genügte es, wenn der Junge sich zur Nacht abmeldete.
    In seinem Zimmer legte er noch etwas unters Mikroskop, ein Libellenauge, einen Feinschliff, dann ging er zu Bett und las. Vor ihm im Fensterkreuz leuchteten die Sterne, blaue Riesen und weiße Zwerge, und wenn er das Licht ausschaltete, verbrannte er bald selbst Materie. Und Gedanken; Rohstoff für neue Energie, neue Tage, neue Welten. Und so dämmerte er dahin.
    Dann tauchte Achim wieder auf.
    Montagmorgen, der Unterricht hatte begonnen, und ohne zu klopfen, ohne ein Wort kam er in die Klasse und setzte sich auf seinen Platz. Eine Bandage, ein Pflaster – Spuren womöglich von der heldenhaften Schnelligkeit des Regattasportlers. Doch ob es tatsächlich so ein Hinterhalt gewesen war, würde sich zeigen, und Willem wartete gespannt auf Achims Version.
    In der ersten Pause wurde er enttäuscht; Achim verschwand im Gewimmel und blieb unauffindbar. Auch Harald wunderte sich.
    In der zweiten Pause fingen sie ihn ab. Laßt mich in Ruhe, sagte er und stieß sie weg. Und Willem und Harald sahen sich an.
    Nach der letzten Stunde stand Patrizia bei den Rädern.
    Du hast dir gewünscht, daß ich eine Lügnerin bin.
    Willem lächelte.
    Gibs zu.
    Diskrete Teilchen oder Wellen stießen aus ihrem Haar.
    Es gibt keinen Grund, sich zu wünschen, daß die Menschen schlecht sind. Und dann: Hast du gelogen?
    Ich?!
    Sei ehrlich, Patrizia. Die, die da ganz allein bei dir drinnen ist, die hat doch gelogen. Oder nicht? Und bevor er das Mädchen berühren konnte, stand schon Ferdinand Lasalle da. Keine Pflaster, keine Bandagen, nichts. Er schnappte nach Willems Hand und sagte: Gibts Schwierigkeiten, Schatz?
    Zwei Kaltblüter stampften den Kopfstein, während die Männer Fässer rollten und durch eine Luke abwärts hievten. Kinder trieben einen Reif, ein Alter mit Katze saß am offenen Fenster. Die Straßen waren nach Seefahrern und Entdeckern benannt, Kolumbus, Kapitän Dallmann oder von Wrangel, und an der nächsten Ecke hatte man Sicht über die Hafenanlagen und die große Werft, in der Eisen zu Onassis gebogen wurde. Willem wußte, daß der Tankerkönig einmal zur Taufe dagewesen war, und die Malocher hatten den kleinen Mann mit der großen Brille ehrfürchtig angestarrt. Und nachdem das Schiff geslippt war, hatte sich dieser Ari vor den Malochern verbeugt. Das hatte sie stolz gemacht, und davon wollten sie noch ihren Kindeskindern erzählen, und so bogen sie ihr tägliches Eisen.
    Willem sah die Kräne gegen den Himmel, darunter das silberne Geflecht der Schienen. Zum Fluß hin bündelten sich Quader und Zylinder, und neben dem Glitzern konnte er die Dampfer sehen – wie Päckchen lagen sie nebeneinander in den Becken, die ganze Welt, meinte er, wie im Fingerhut.
    An der nächsten Ecke sah er das Fuhrwerk eines Kohlenhändlers; vor den Geschäften Auslagen mit Gemüse oder Südfrüchten, und dann eine Kneipe. Noch eine Kneipe, und an der nächsten Ecke Frauen. Sie poussierten und schnalzten, als Willem vorbeizog.
    Dann fand er die Straße, in der Achim wohnte – der Milchladen an der Ecke, gegenüber die Autowerkstatt mit den grünen Holztoren, alles so, wie Harald es beschrieben hatte. Er lehnte das Rad gegen den Zaun. Durchschritt den kleinen Vorgarten, nahm die drei Stufen, und als er klingelte, meinte er, seine ganze Entschlossenheit aus dem schrillen Ton zu hören. Doch niemand öffnete, und das zweite Klingeln klang bereits verzagt.
    Beim Milchladen bog er wieder um die Ecke, und plötzlich sah er ihn. Groß und haarig, und im Schlepptau den Bollerwagen.
    Moin.
    Achim sah auf, hielt aber nicht an. Willstn du hier.
    Ich weiß, daß Lasalle dir ne Falle gestellt hat.
    Doch Achim grunzte nur, und die Bierflaschen klackerten.
    Mann, Alter! Mit ihrem Geld und ihren Verbindungen biegen sich diese Lasalles die ganze Welt zurecht. Und dich machen sie einfach zum Kriminellen. Wegen so einem dämlichen Wachspimmel.
    Laß mich in Ruhe.
    Das kannst du dir nicht gefallen lassen.
    Hau ab.
    Und die Basis, Mann?
    Hau ab, sag ich.
    Ziehst du den Schwanz ein?
    Du redest.
    Haben sie dich in der Hand, diese verdammten Clubjacken?
    Ich sag, du redest. Und dann boxte er Willem vom Rad.
    Achim sprach mit niemandem. Kein Nicken,

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