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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Gemischtwarenladen mit dem Juno-Schild. Vor der Tür war ein Aushub mit Schmutzgitter, doch Achim hatte das Gitter entfernt, und so hatten sie darauf gelauert, daß jemand aus dem Laden trat. Als Schlosser das Gitter zurücklegte, sprang die Ladentür auf, und eine Hand schnappte.
    Der Schinder hätte sich die Gräten gebrochen! Das wird der Schlosser büßen! Achim-das-Tier klappte ein Messer auf und schlitzte einen Reifen.
    Willem sah zu, wie die Luft rauszischte. Dann sagte er: Das hätte ich dir nicht zugetraut. So ne feige Nummer.
    Achim stieß Willem gegen die Brust. Kein Wort! Du Fickfrosch! Dann zog er mit den anderen ab.
    Schlosser hatte ein dickes Ohr und rückte seine Brille zurecht.
    Ausgerechnet der Schinder. Dann grinste er. Na, gibt Schlimmeres. Hast du Zichten? Komm, ich besorg welche. Und er nahm Willem das Rad ab und betrachtete den Reifen.
    Die Burschen saßen da und lachten. Was mischte dich auch ein, Schlosser.
    Und beim nächsten Mal schneidet euch wer die Bremsen durch, und dann soll ich auch mein Maul halten. Er lachte und klatschte in die Hände. Kommt, Kinder, spendiert uns mal n Glimmstengel.
    Ãœber den Anschlag auf den Schinder wurde nichts laut, und nach einer Woche hatte Schlosser einen nagelneuen Reifen. Wie er die Sachen gedeichselt hatte, sagte er nicht.
    Aber Willem erfuhr, daß Frederikes Eltern in Delikatessen machten. Die scheißen Langusten, sagte Schlosser, und die Frederike ist Einzelkind, und sie haßt ihre Alten. Und dieser Jan-Carl, sagte Schlosser, ist der Sohnemann vom Staatsanwalt.
    Dann wollte Schlosser was über Achim wissen, und Willem erzählte.
    Durch den Kontakt zu Schlosser schien Willems Ansehen zu steigen. Ferdinand Lasalle grüßte ihn, Patrizia lächelte, und Achim-das-Tier ließ ihn in Ruhe – keine Rempler mehr, kein Kronhardt-du-Fickfrosch, nichts.
    Für Willem war es eine ganz neue Erfahrung. Der Respekt, den die anderen vor Schlosser hatten, schien auf ihn abzufärben, und er nahm das erst mal hin. Doch es blieb ihm ein Rätsel, warum Schlosser so eine Wirkung auf die anderen hatte. Er war ganz offensichtlich keiner von ihnen, und Willem bastelte an verschiedenen Theorien.
    Als er davon erzählte, lachte Schlosser. Für ihn war die Sache ganz einfach – wir kommen aus unserer Stammesgeschichte nicht raus, sagte er. Und weil in jedem Abschnitt dieser Geschichte ein dominanter Status mit Vorrechten verbunden ist, kommt es im Grunde nur darauf an, Dominanz zu entwickeln. Ein vielfältiger Fundus, sagte er, und heutzutage reicht es schon, wenn man so tut, als ob. Laß die anderen denken, daß du Mumm hast. Laß sie glauben, du wärst n Weiberheld. Ein Kerl, den sie nicht ausrechnen können, weil du immer noch was in petto hast. Die anderen haben einen Winkelbungalow mit Doppelgarage und Pool, und sie sind Helden. Die Bräute haben dicke Dinger oder eine Visage wie aus dem Kino, und sie sind Helden. Wenn man selber kein Held ist, muß man einfach nur so tun, als ob Winkelbungalow und dicke Dinger n Scheiß wären gegen das, was man noch in petto hat – all die Kampfplätze der Stammesgeschichte, sagte Schlosser, liegen heutzutage unsichtbar hinter der Stirn.
    Zum Frühling hin besorgten sie sich Erlaubnis zu mikroskopieren. Und während die anderen in die Pause liefen, verschwanden sie im Biologieraum. Und wenn jemand sie danach fragte, grinsten sie nur. Als hätten sie enorm was in petto.
    In den Glasvitrinen saßen die Bälge – Lepus europeus, Meles meles oder Buteo buteo. Amphibien waren in Formaldehyd konserviert, sie entdeckten Mutationen, Organe, Fasern, und in den Schubladen fanden sie Objektträgersammlungen mit Feinschnitten aus einer anderen Welt.
    Sie bauten das Mikroskop am Fenster auf, sahen runter auf Schulhof und Elefant, beobachteten Haufenbildung und wiederkehrende Muster, pickten sich die größten Arschlöcher raus oder die hübschesten Mädchen, und manchmal meinten sie so etwas wie eine Wechselwirkung festzustellen. Doch meist wollten sie da oben nur ihre Ruhe und quatschen. Und wenn der Lehrer vorbeischaute, fingen sie das Licht im Spiegel und tauchten ein in die Mikrowelt.
    Einmal sagte Schlosser: Wir besorgen ein Fernglas und rücken den Mädels auf den Pelz. Und später mikroskopieren wir unsern Saft. Untersuchen, ob Dichte und Lebendigkeit womöglich in Zusammenhang mit bestimmten Typen stehen – die

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