Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
Vom Netzwerk:
mein Arzt.
    Und sonst?
    Früher hab ich mir vorgestellt, daß mein Vater auf einem andern Stern lebt. Und eines Tages würde Juri Gagarin kommen und mich hinbringen.
    Schlosser hatte die Arme unterm Kopf und sah in den Himmel. Die Kippe hing ihm zwischen den Lippen. Hört sich gut an.
    Und sonst habe ich die Bücher.
    Ja. Bücher und Sterne. Da können sich Welten auftun.
    Wär ja auch zu blöd, wenns nur eine gäbe.
    Aber verdammt.
    So lagen die Jungs auf dem Ponton.
    Dann sagte Schlosser: Eine Zeitlang hab ich gedacht, daß der Alte noch die Kurve kriegt. Daß er durch all das Jammern noch sieht, daß die Welt viel zu schön ist, um sich darin aufzugeben. Sicher, der Alte hat den Krieg mitgemacht, und ne schöne Welt sieht wohl anders aus, und so hatte er immer über diese Zeit geschwiegen. Doch dann, nachdem Mutter unter der Erde war, fing er plötzlich davon an. Wie sie ihn als blutjungen Kerl noch reingeschmissen haben, und wie er kaum später als alter Mann zurückkam. Da hat er rumort und gebölkt gegen den Krieg und gegen jeden, der so was zulassen konnte. Und das holte ihn richtig raus aus all der Trägheit und dem Jammern, und sogar mit seiner Arbeit fing er wieder an. Ich dachte echt, der Alte kriegt die Kurve; er hobelte und hämmerte in seiner Werkstatt und fluchte aus vollem Herzen gegen Gott und den Krieg. Er fluchte und arbeitete, als würden ihm daraus wieder Kraft und Lebensfreude erwachsen. Na ja. Das hielt nicht lange vor, und seitdem zerbröselt er richtig.
    Ist er so schwer am Saufen?
    Da geht nichts anderes mehr.
    Scheiße.
    Manchmal, wenn er gut beisammen ist, könnte man meinen, daß er noch an seine Kinder glaubt.
    Und du?
    Ich glaub an uns. An die Zwillinge und an mich, und daß wir unsere Möglichkeiten haben in der Welt. Wie jeder andere.
    Das ist gut.
    Schätz ich auch.
    Nach einer Zeit sagte Willem: Mein Vater hat immer gesagt, daß die meisten Menschen sich festbinden lassen. Arbeit und Kinder, Hoffnung und Angst, und jenseits davon sind sie bald wie zugenagelt. Als gäbe es keine große Welt und keine anderen Möglichkeiten darin.
    Und Schlosser grinste. Solange aus einem Ding nicht wenigstens zwei Dinge rauskommen können, war dein Alter wohl nicht zufrieden.
    Mit einer festgebundenen Welt, hat er gesagt, wird auch die Freiheit kurzgehalten.
    Dein Alter war bestimmt n netter Kerl.
    Ja.
    War meiner auch mal. Aber nach Mutters Tod ist alles kaputt, und die Welt von meinem Alten ist nur noch festgebunden und zugenagelt.
    Eines Tages saßen die Jungs noch auf dem Ponton, als Zirbel auftauchte. Er trug seine Schiffermütze, der Revolver hing am Gürtel, und er dampfte eine Zigarre. Boxerhündin und Spitz standen neben ihm und bellten übers Wasser.
    Die Jungs sprangen in den Nachen und setzten über.
    Die Sonne steht noch. Sie sind zu früh.
    Zirbel lachte. Das is egal, Jungs. Wenn ich hier bin, müßt ihr runter vom Ponton.
    Die Hunde schnüffelten. Versteht ihr – wir sind n kleiner Betrieb. Ärger könn wir nich brauchen. Und dann: Was habt ihrn da?
    Zirbel warf einen Blick in die Tüte. Dann pfiff er. Die Hilde, was.
    Ja.
    Ganz schön scharf.
    Ham wir ausm Sperrmüll.
    Aha. Und dann: Heut is der Siebtesiebte. Da komm ich immer achtzehndreißig. Wollt ihr nochn Florida Boy?
    So zogen sie los. Die Boxerhündin geiferte und sah dem Spitz zu, der das Revier markierte. Dann schnürten beide Hunde voran.
    Ganz schön groß, der Colt.
    Attrappe. Macht aber ordentlich Krach.
    Und wenns mal hart auf hart kommt?
    Hart auf hart. Zirbel spuckte seitwärts aus. Dafür seid ihr Bengels noch zu jung.
    Die Hunde hatten ein Holzhaus erreicht. Die Boxerhündin wedelte mit dem Stummelschwanz, der Spitz hob ein Bein, dann legten sie sich auf die überdachte Veranda. Zirbel schloß auf und verschwand im Dunkeln. Er stieß die Holzläden vor den Fenstern auf. Worauf wartet ihr?
    Drinnen gab es nur einen Raum. In der Mitte einen Pfosten, wo er den Colt aufhängte. Ein Feldbett am Ostfenster, ein Eisenofen mit einem Kessel drauf und ein Schreibtisch voll mit Büchern und Dosenfisch und Krimskrams. Zirbel ächzte und langte unters Feldbett. Einmal im Monat läßt der Grubenbesitzer ne Kiste anfahren. Will mir was Gutes tun. Aber mir schmeckt das Zeugs nich.
    Er zog zwei Flaschen raus und knackte die Korken mit einem Brotmesser.
    Lassen Sie den Grubenbesitzer doch was

Weitere Kostenlose Bücher