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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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anderes anfahren.
    Ach was. Ich versenk die Kiste im See, der Baggerführer fischt se wieder raus, und nachm Frühstück ham se die Kiste platt.
    Und Sie?
    Ich süffel das Öl von den Sardinen.
    Er gab ihnen die Flaschen und zeigte aufs Feldbett. Hab nur ein Stuhl hier. Dann dampfte er an der Zigarre, und Rauch blähte in den Lanzen, die durch die Holzwände stachen.
    Mit den Rabauken, sagte er, habt ihr ja nix zu schaffen.
    Rabauken?
    Welche wie ihr. Vielleicht n bißchen älter, und einer n Rothaariger.
    Nee.
    Zirbel sah durch seine Hornbrille und dampfte. Dann nahm er die Schiffermütze ab und rieb seine Platte.
    Ihr seid ziemlich oft hier. Friedliche Zeitgenossen, was. Hockt aufm Ponton und wollt eure Ruhe.
    Ham Sie uns doch beobachtet?
    Zirbel lachte. Dann sagte er: Nie jemand gesehn, hier?
    Sie schüttelten den Kopf. Wie machen Sie denn das? Irgendwo versteckt mit einem Feldstecher?
    Zirbel stand auf, und den Stumpen im Mund, langte er mit einem Stock unter die Decke und löste eine Lampe vom Haken. Aus dem Schreibtisch fischte er eine Handvoll Karbid, schraubte den Lampenfuß ab und ließ die Brocken in den Hohlraum fallen. Er gab aus einem Emaillebecher Wasser dazu, es zischte, und der unverkennbare Geruch stieg auf. Er schraubte die Lampe wieder zusammen und pumpte mit einem Hebel Luft ins Innere, bis Gas strömte. Mit einem Benziner riß er die Flamme an, regulierte an einem Rädchen und setzte den Reflektor ein. Er schloß die Fensterläden, der Dampf stand noch in den Lanzen, und seine Gestalt erschien wie aus einer fremden Welt. Dann hockte er sich hin und leuchtete mit der Lampe. Der faule Geruch stand noch in der Luft.
    Hier. Und hier. Da brauch ich nich mal die Hunde zu. Spuren wie n Waldelefant. Und einer von euch hat schon seitm Monat n Loch im Schuh.
    Sie betrachteten die Dielen im grellen Schein. Unter dem Sand rohes Holz, vielleicht Lärche, abgetreten und fleckig. Mehr sahen sie nicht.
    Zirbel lachte, dann fuchtelte er mit dem Stumpen. Da kann man sich noch so schulen und spezialisiern. Die Sinne ham ihre Grenzen. Aber zu dritt sind wir ganz gut. Und als hätte sie zugehört, kläffte draußen die Boxerhündin.
    Zirbel riß Fenster und Tür wieder auf und drehte der zischenden Flamme das Gas ab.
    Und Hilde, sagte er.
    Hilde?
    In euerm Alter. Da will man doch platzen. Die ganze Welt n reifer Garten.
    Willem nippelte an der Limonade.
    Schlosser sagte: Sehn wir so aus?
    Wie sieht so jemand aus. Irgendwann mal sind alle versessen drauf.
    Schlosser sagte: Wenn da Spuren warn, nich von uns.
    Glaub ich ja.
    Willem sah die beiden an. Dann wurde er rot.
    Zirbel lachte. Sein alter Schädel hinter einem Rauchball. Er lachte und hustete, und schließlich stand er auf, schlurfte zur Tür und spuckte.
    Ich war n Bengel wie ihr. Vielleicht n bißchen älter, als se mich das erste Mal am Arsch gekriegt ham. Für Kaiser und Vaterland ham se gesagt, und wer sich drückte, der war n Verräter.
    Er spuckte noch einen Strahl.
    Die Westfront war erstarrt. So nannten die das damals, und überall kriegte mans zu hörn. Ich konnt mir da nix drunter vorstellen – er machte eine Bewegung mit der Hand. Na ja. Ihr Bengels lernt so was in der Schule, und wie se mich dann im Westen hatten, wußt ich auch Bescheid. Erstarrt: Inner Heimat, da war das n Begriff, und anner Front, da wars n verdammt munteres Treiben. Das schwappte hin und her; Kanonen hier, Granaten da. Mal nahmen die andern den Graben, und nächstes Mal stürmte man selbst mit aufgepflanztem Bajonett. Und egal, auf welcher Seite: Wir verwilderten alle zwischen den Kadavern. Das also war eine erstarrte Front, und am Siebtensiebten hats mich dann erwischt.
    Zirbel stand im Türrahmen. Sah in die Ferne, spuckte.
    Dabei sahs ganz nachm friedlichen Tag aus. Wir konnten mal wieder anständig kacken, nich halb und nich inne Hosen. Einige rasierten sich sogar, und ein paar Kameraden spielten Karten. Von vorn wehte der Wind Bohnen und Speck ran, und auch zwei Hunde wurden angelockt, die bald zwischen den Linien stromerten, als wäre es nichts.
    Wir schafften den ein oder annern Toten weg, und zum Nachmittag wars immer noch friedlich. Wir schwitzten, schlugen die Mücken tot, und in der Luft war jetzt Zichorie. Und mit einem Mal hörten wir dieses Geräusch: das Pumpen, und dann das verdammte Zischen vom Abblasen. Son Geräusch, Jungs, das vergißt man nich, und wir wurden

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