Kronhardt
Kronhardt Kapitänsmützen, ein Souvenir von der Alten Liebe. Sie fuhren auf der BundesstraÃe, Kronhardt pfiff Schlagermelodien, die Mutter feilte an ihren Nägeln. Der Asphalt spulte unterm Borgward, Moor, Heide und Wälder verdichteten und lösten sich wieder auf. Manchmal überholte Kronhardt, oder er sagte: Schaut mal, der Henschel hat einen defekten Zwillingsreifen. Oder: Habt ihr den Variant gesehen? Das nenn ich korrekt. Dann pfiff er wieder, und die Mutter feilte.
So stieÃen sie voran, teilten den Raum, und das Land flog vorbei. Die Wolken schienen im Westen aufgetürmt und fest verankert, doch nach halber Strecke blähten sie bereits gegen die Mittagssonne.
Die Mutter legte die Feile weg und holte ihren Kalender vor. Gleich morgen ist Brinkmann dran. Wenn er sich weiter dagegenstemmt, kriegt er Probleme. Das wirst du ihm klarmachen, ja.
Kronhardts Finger trommelten auf dem Lenkrad.
Die Mutter blätterte.
Dann sagte sie: Kommando zurück. Um Brinkmann kümmere ich mich selbst. Was glaubt der denn, sitzt plötzlich in diesem Sessel, und die Vergangenheit existiert nicht mehr? Sie lachte abfällig. Ohne meine Familie hätte der nicht mal mehr seinen Hintern.
Kronhardt nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie auf ihren Schenkel.
Sie schob die Hand weg und sagte: Du nimmst dir diesen sturen Bock von Brauereidirektor vor. Laà ihn einen schönen Kampf sehen in deinem Terrarium, verkauf ihm die Schmetterlinge, die er haben will. Ganz egal. Aber du holst den Auftrag.
Kronhardt trommelte wieder.
Von Leysieffer läÃt du die Finger. Das mach ich. Sie klappte den Kalender zu und lachte. Nichtwahr, wir halten die Welt am Rattern. Und Kronhardt fiel in ihr Lachen, seine Hand drückte ihren Schenkel, und die Mutter lieà es geschehen.
Nach einer Zeit klappte sie den kleinen Spiegel herunter, und Willem sah, wie sie ihre Lippen ausstülpte und einzog, wie sie die Winkel nach unten verzerrte und die Zähne bleckte. Er fand, daà die Farbe ihren Mund noch härter machte. SchlieÃlich zerstäubte die Mutter noch Parfüm, dann standen ihre Augen im Spiegel.
Wir haben mit den Lehrern gesprochen.
Kronhardt trommelte mit den Fingern.
Du bist unterfordert und wirst die Klasse wechseln. Die Parallelklasse ist sehr vielversprechend.
Willem sah die Augen und konnte es nicht glauben. Sie versetzten ihn zu Schlosser.
Ist gut, sagte er.
Die Mutter rückte an der Kapitänsmütze und klappte den Spiegel hoch.
Kronhardt lachte und kurbelte das Fenster runter. Der Fahrtwind trieb das Parfüm, und später kam Kronhardts Hand mit einem Fünfmarkstück nach hinten. Die Mutter tat, als kriegte sie nichts mit.
Rings das glattgezogene Land hatte sich jetzt aufgeworfen; alte Laubwälder zogen über den Geestrücken, wellige Heuwiesen und Ãcker begrenzten den Horizont. Der Borgward schnurrte durch die Eiszeitspuren, Kronhardt pfiff Melodien, und seine Rechte lag auf dem Schenkel der Mutter. Die Sonne reflektierte von den Lackschirmen, und für Willem war es klar, daà sein Erlebnis mit Constanze unendlich weit weg sein muÃte von der Erlebnisfähigkeit der Alten. Als sie zu Hause anlangten, sah er ein Raubwanzenpärchen aussteigen.
Die Kapitänsmützen landeten in einem Kabuff.
In seinem Zimmer holte er das Trikot von Constanze hervor. Lockte das Knistern aus dem Material, fand Spuren von ihrem SchweiÃ, vergrub sein Gesicht.
15
In Duhnen war Willem braun geworden; auf seiner Oberlippe lag flaumiger Schatten, und auch das Leptosome schien überwunden. Anfangs war er überwältigt von dem Phänomen. Doch bald stand er ganz nüchtern vor dem Spiegel und konnte Constanze als kleine Ãnderung wahrnehmen, die eine unglaubliche Wirkung hervorgebracht hatte.
Zu Schulbeginn freute er sich darauf, Schlosser wiederzusehen.
Als er der neuen Klasse vorgestellt wurde, grinsten die Jungs. Auch die schwarzgelockte Gisela wurde vorgestellt; sie war sitzengeblieben, und der Lehrer machte dafür vor allem ihre renitente Art verantwortlich. Willem nannte er einen tadellosen Schüler. Dann lieà er die beiden Platz nehmen; Gisela neben einer Rothaarigen, Willem wurde neben den Klassenprimus in die Jungshälfte gesetzt. Ein weicher und unförmiger Kerl, und sein Vater war der Politiker Leysieffer. Und natürlich ahnte Willem, daà da etwas auf ihn zukommen würde.
Im Grunde war es in der neuen Klasse aber kaum anders
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