Kronhardt
Einheiten derselben Klasse produzieren könne â, von der Stange, vom Band, ein Freischein in die endlose Börse der Massen, wie gesagt: die Kunst, Angebot und Nachfrage zu steuern. Beziehungsweise Identifikation beliebig zu installieren. Das schien das Instrument der Zukunft.
Von der Automatisierung kam Willem dann auf die Feinmechanik zu sprechen; er machte eine Anspielung auf Kafkas Strafkolonie, und als niemand lachte, erklärte er den Gästen Schliff und Wirkung verschiedener Nadeltypen. Er lieà ein paar Exemplare herumgehen, dazu eine Mappe mit Malereien in verschiedenen Sticharten, und dann schmià er die nagelneue Sechskopf an. Es ratterte, die Nadeln tanzten durch das Gewebe und hinterlieÃen Stich um Stich ihr Mal. Die Gäste bestaunten diesen Vorgang; wie das Hollerithband über die Walzen schnurrte, wie Löcher und keine Löcher die Fadenwechsler und Rahmen dirigierten, wie sich das Mal gleich sechsfach unter den tanzenden Nadeln zu einer wunderbaren Logotype auswuchs.
Als Willem die Maschine abstellte, lächelte er. Haben Sie auf Ihre Uhr gesehen? Wie schnell wir Ihnen nicht nur eine Replikation erschaffen, sondern zugleich ein Individualprodukt, das die Schablone ist für endlose Massenproduktion? Das, sagte er, ist Zukunft, die gerade erst begonnen hat. Und alle klatschten, als er schlieÃlich die Embleme präsentierte.
Später, als sie bereits betrunken waren, schlugen die Männer Willem auf den Rücken; sie zogen ihn in ihre Aphorismen, sie rauchten Zigarren und griffen nach Hühnerschlegel oder Granat. Unternehmergeist, sagten die Männer, natürlich noch ein biÃchen tollkühn in der Theorie, doch auch sie seien in ihrer Jugend unvernünftig gewesen. Dann schwelgten die Männer zurück, dann lobten sie alte Tugenden und waren schlieÃlich sicher, daà auch Willem das unternehmerische Erbe in sich trug.
Auch die Frauen waren sich da sicher, ein reizender Erbträger, sagten sie, und im derben Lachen der Männer blitzten ihre Augen schamlos. So schienen sie Willem aufzunehmen. Eine Art Initiation, die alle Nachäfferei endgültig in persönliche Eigenart verwandelte. Der Brauereidirektor mit seiner drallen Tochter stand da, die Frau des Tabakgrossisten, der Reeder, Brinkmann, und auch Deutschmeister war dabei. Ein grobknochiger und tadellos gekleideter Mann mit pockigem Gesicht und roter Nase. Ein Trinker, ein GenieÃer wie alle, dieser Deutschmeister, und in seiner polternden Art schlug er Willem auf den Rücken, nannte ihn ein Bürschchen und erzählte in die Runde, wie dieses Bürschchen eines Tages behauptet hätte, S.O.D., das klinge zu sauer. Und wie dieses Bürschchen ihm ein einprägsames und konspiratives Emblem entworfen habe, MSD in Trikolor, sagte Deutschmeister, und seitdem sei seine Reputation enorm gestiegen. Die Gäste entblöÃten ihre Zähne und schlugen Willem auf den Rücken. Sie tranken, nahmen Hühnerschlegel und Granat, und als die Frau des Tabakgrossisten darauf bestand, mit Willem anzustoÃen, johlten sie. Nach dem Schnaps verzog er das Gesicht, er hustete, und den Gästen gefiel das. Sie forderten mehr, sie lieÃen Willems Widersprüche nicht gelten, und bald hielt die Frau des Tabakgrossisten seinen Kopf umschlungen und führte das Glas. Die Gäste brüllten, als er danach die Augen verdrehte. Und als sein Kopf im Ausschnitt der Frau versank, schlugen die Männer sich auf die Schenkel.
Leysieffers aÃen mit gespreizten Fingern und tranken kalte Ente. Der Politiker und seine Frau tuschelten, und wenn sie mitkriegten, daà jemand sie beobachtete, schwiegen sie und lächelten. Die Schwestern machten es wie ihre Eltern, klammerten sich dabei an ihre mickrigen Handtaschen und streckten das spitze Kinn in die Höhe. Schweigen und Lächeln erschienen wie eingenagelte Vernunft, und anfangs taten sie, als wäre Willem Luft für sie.
Erst als ihr Vater ihm die Hand drückte und seine Ausführungen über den Kapitalismus zwar abstrus nannte, nichtsdestotrotz aber interessant und rhetorisch begabt vorgetragen, lächelten die Schwestern Willem an. Als hätte ihr Vater einen Auslöser betätigt, und so scharwenzelten sie um ihn herum; stellten ihn am Büfett, erwarteten ihn vorm Klo, und sobald er eine abgewimmelt hatte, war schon die nächste da. Es war Sisyphosarbeit. Alle Kunst und alles Kalkül, mit denen es ihm an der Kaffeetafel
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