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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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stets gelang, die Schwestern in Schach zu halten, schienen plötzlich nicht mehr zu greifen. Immer penetranter rückten sie ihm zu Leibe, schwatzten, klappten ihre Handspiegel auf und kokettierten. Als wäre die Feier ringsherum schamloser Antrieb für sie, und noch als Willem Zuflucht suchte im Deutschmeister-Kreis, stöberten sie ihn auf – und schlimmer: Die beschwipsten Gäste wollten ihn bald mit den Schwestern verkuppeln.
    Zuletzt gesellte Willem sich zu ihrem Bruder. Er stand abseits und aß Bauchfleisch.
    Konrad, deine Schwestern machen mich fertig.
    Der Primus betrachtete das gebänderte Fleisch und biß hinein. Dann grinste er, und Sehnen hingen ihm zwischen den Zähnen. Mich auch, sagte er.
    Was tust du dagegen?
    Konrad hob die Schultern und schlug seine Zähne in das Fleisch.
    Du frißt dagegen?
    Ich esse, weil es mir schmeckt. Dann blickte er sich verstohlen um und flüsterte, daß die ganze Dominanz der Männer in Wirklichkeit eine Inszenierung der Weiber sei. Daß die ihre vermeintlich untergeordnete Rolle dazu benutzten, um in aller Ruhe an einem Modell der männerlosen Gesellschaft zu arbeiten. Mit Jungfernzeugung und allem. Und um die Männer ein für allemal loszuwerden, schreckten sie vor nichts zurück – fädelten Kriege ein, benutzten Wissenschaft und Technik und ahmten noch die männliche Art zu denken nach, so daß die Ausrottung des männlichen Geschlechts am Ende wie eigene Schuld erscheinen müsse.
    Willem sah den Primus an. Womöglich hatte er ihn falsch eingeschätzt. Womöglich war sein ganzer Eifer, den Vater nachzuahmen, in Wirklichkeit eine Reaktion auf die Schwestern.
    Brauchst gar nicht so zu kucken, sagte Konrad. Meinst du, ich weiß nicht Bescheid?
    Wie Bescheid?
    Deine Mutter.
    Ja und?
    Du steckst genauso drin wie ich. Ohne diese Weiber könnten wir ganz anders sein.
    Willem wurde den Leysieffer-Clan auf einen Schlag los.
    Die Jungsklassen hatten Turnen gehabt, und aus dem Duschraum zog Dampf in die Umkleide; sie feixten und schlugen sich mit Handtüchern, einige standen noch unter der Brause, während die ersten sich bereits anzogen. Einmal schaute der Turnlehrer herein, klatschte und bellte, Zackzack, dann postierte sich Achim-das-Tier vor der Tür. Er hatte nur ein Handtuch umgeschlagen, und im Kondensat wirkte sein Körper noch wilder.
    Wer hat meine Unterhose geklaut?
    Jan-Carl und noch zwei oder drei andere stellten sich zu ihm.
    Rückt die Unterhose raus! Ihr Fickfrösche!
    Die Jungs in der Umkleide sahen sich an.
    Son Schwachsinn, sagte einer.
    Stehn da wie ne Unterhoseneinheitsfront, sagte ein anderer.
    Schnauze, rief Jan-Carl, und Achim-das-Tier schnappte sich einen von denen, die was gesagt hatten.
    Laß den Scheiß, Achim.
    Schnauze, Kronhardt.
    Wahrscheinlich hat der Hausmeister das Ding einfach weggespült.
    Ein paar von den Jungs lachten.
    Achim-das-Tier stieß den anderen beiseite und baute sich vor Willem auf. Der feine Pinkelsohn und Korinthenkacker, was! Scheißegal, was mein Alter malochen muß, damit einer wie ich auch noch ne Unterhose übern Arsch kriegt, was! So stand Achim-das-Tier, und sein Kinn zuckte.
    Schlosser sah sich das an. Dann steckte er eine Selbstgerollte hinters Ohr und drückte Jan-Carl und die Spießgesellen zur Seite.
    Vorschlag zur Güte, sagte er. Wir gehn vor die Tür, und wenn irgendwer das Ding versteckt hat, liegt es in einer Minute wieder da.
    Achim-das-Tier zeigte seine Zähne. Und du, zischte er.
    Mein Alter reißt sich für meine Unterhosen schon lange nicht mehr den Arsch auf. Das muß ich selber tun.
    Achim gefiel das nicht. Du Fickfrosch.
    Schlosser steckte die Gedrehte in den Mund und ließ sie tanzen. Wenn ihr ne Keilerei wollt, sagt Bescheid. Aber macht hin, damit mir der Glimmstengel nicht vertrocknet.
    Eine Minute, sagte Jan-Carl. Und wenn die Sache nicht klargeht, gibts Terror.
    Achims Augen blitzten aus ihren Höhlen. Ihr habts gehört. Und wir picken uns jeden einzeln raus.
    So gingen sie vor die Tür, und Jan-Carl hielt den Sekundenzeiger seiner Uhr im Auge. Wenn man es darauf anlegte, konnte in einer Minute natürlich alles geschehen. Egal, in welche Richtung man blickte, in diesem Zeitabschnitt konnte das mächtige Potential liegen zu allem Anfang und Ende. Terror war da nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten.
    Im Lateinunterricht hatten sie gelernt, daß die Wurzel ein Zeitwort war

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