Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
entledigen, und diese Neigung spült auch Erinnerungen fort, die wir gern bewahrt hätten. Das ergibt dann Lücken in unserer Vergangenheit, weiße Flecken in der persönlichen botanischen Sammlung der Erinnerungen. Der Mensch sollte schon in jungen Jahren dazu angehalten werden, seine Erinnerungen zu sortieren, Stunden, Minuten aufzubewahren, sie zu hegen, zu hüten, damit sie ihm erhalten bleiben. Hat ein Mensch keine Erinnerungen, so ist es, als hätte er gar nicht gelebt; er wird alt und fragt sich dann eines Tages verblüfft, wo ist denn eigentlich mein Leben geblieben, die Taschen sind leer, mir wurde alles gestohlen, und ich kann mich nicht einmal umsehen, um mein gelebtes Leben wieder einzusammeln.
Ich will eine für mich ganz kostbare und schauerlichschön gebliebene Erinnerung erzählen. Sie ist in meinem Bewusstsein so strahlend lebendig wie eh und je und hat sich in zwanzig Jahren kein bisschen abgenutzt oder irgendwelche Risse bekommen.
Diese Erinnerung handelt von einem Sommerabend, von einem Mädchen, vom Himmel und vom Plattensee.
Dort, im mondänen Balatonfüred, verbrachte ich meinen freien Sommer. Ich hatte einen netten guten Freund, Arzt von Beruf, der seit dem Frühjahr mit einem hübschen Mädchen verlobt war. Die Familie der Braut mietete dort am Hügel von Füred seit vielen Sommern immer dieselbe Villa; mir war das Mädchen seit meinen letzten Ferien vom Sehen bekannt. Als wir uns diesen Sommer in der Platanenallee am Seeufer begegneten, hat mir mein Freund seine Braut vorgestellt. Ich war erfreut, da schau her, sagte ich mir, dieses attraktive Persönchen ist es also, von der mir der Freund im Winter vorgeschwärmt hat. Der Bräutigam war übrigens damals nicht im Urlaub, er arbeitete in der Klinik und würde erst im August zwei Wochen Ferien haben. Bis dahin konnte er seine Braut nur an den Wochenenden sehen. Samstagabend reiste er an, Sonntagabend fuhr er wieder. Meine Freundschaft mit ihm datierte noch aus unserer Studentenzeit. Er war zwei, drei Jahre älter als ich, versorgte mich stets mit Lektüre, unterrichtete mich aus purer Freundschaft sogar in Französisch. Ich habe eine Menge von ihm gelernt. Er erzählte mir interessante Dinge, zum Beispiel aus der Drüsenforschung, denn er machte eine Ausbildung zum Internisten, wollte sich auf dieses Fachgebiet spezialisieren. Als er das Studium hinter sich hatte, fand er bei einem berühmten Internisten eine Stelle und konnte sich in dessen Laboratorium ganz der Forschung widmen. Dies war auch der Grund, warum wir uns nur noch selten sahen.
Also, ich werde von diesem Abend erzählen. Dem Abend, als ich an der Schiffsanlegestelle dem Freund und seiner Braut begegnete. Sie warteten auf das Ablegen des Acht-Uhr-Dampfers nach Siófok, dort würde mein Freund nach neun den Schnellzug nach Pest erreichen. Nachmittags hatte ich mit den beiden Verliebten im Wasser geplanscht, mich auch schon von ihnen verabschiedet, deshalb mussten wir lachen, als wir uns jetzt schon wieder über den Weg liefen und das Abschiedszeremoniell wiederholt werden musste. Ich blieb noch kurz bei ihnen, bis das Schiff anlegte, was ja nur ein paar Minuten dauerte. Um uns herum, an der Anlegestelle und auf der Schiffsbrücke herrschte ein lustiges, lautes Gewimmel; denn mit diesem Schiff fahren die Ausflügler vom Südufer und die aus Pest angereisten Gäste nach Hause. Es war ein ausnehmend schöner Sommerabend, auch oben am Himmel war Sonntag, wie hier unten auf der Erde.
Der kleine Plattensee-Dampfer hatte also abgelegt. Die Braut hob zum Abschied den Arm, der Bräutigam lehnte an der Reling, zog sein Taschentuch heraus und winkte eifrig zurück. Ich sah, wie das weiße Taschentuch sich auf dem dunklen Wasser spiegelte, durch die aufgewühlten Wellen in viele kleine Stücke zerteilt. Dann wandte ich mich ab, dieser Augenblick des Abschieds sollte nur den beiden gehören. Mir tat das Herz ein bisschen weh, ich hatte niemanden.
Das Schiff drehte ab, die vielen weißen Shorts und hellen Hosen am Ufer zerstreuten sich. Es war auch Zeit fürs Abendbrot. Ich wollte das Mädchen heimbegleiten, wie es sich gehört.
»Nein«, sagte sie, »gehen wir noch nicht. Setzen wir uns irgendwo ans Ufer.«
»Werden Sie nicht das Abendessen versäumen?«
»Ach wo, wir haben schon gegessen, heute früher, wegen Ákos. Meine Eltern wollten sich auch bald hinlegen, denn dieser Sonntag war anstrengend, ein einziges Kommen und Gehen von Besuchern. Ich wüsste wirklich nicht, was ich jetzt
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