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Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
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abenteuerlich, wie das Publikum der Shakespeare-Zeit zu den Aufführungen gelangte, weil die Theater am südlichen Themseufer standen, also auf dem Boden der Grafschaft Middlesex, wohin der Arm der jedes Schauspiel verachtenden puritanischen Londoner Stadtbehörde nicht reichte. Das Theaterpublikum musste also die oft sehr unruhige Themse überqueren, und noch größere Gefahr drohte auf dem Heimweg, denn inzwischen war es später Abend geworden; selbst wenn jemand nur bis nach Islington kommen wollte (das heute mitten in der Stadt liegt), erwies sich das als ein gewagtes Unternehmen, denn in der Umgebung von London wimmelte es stets von Wegelagerern. Man wartete also, bis sich ein Trupp von fünfzehn, zwanzig Leuten angesammelt hatte und das Glockenzeichen zum Aufbruch gegeben wurde.
    Sogar im Theater waren Schlägereien an der Tagesordnung. Das gemeine Volk nahm seine Plätze im Parterre ein, und es war tatsächlich gemein. Nicht umsonst ist bei Shakespeare vom Zwiebelmief die Rede, denn sie fraßen und soffen pausenlos, auch während der Vorstellung, und demonstrierten ihre Anwesenheit durch den Geruch. Um die guten Plätze gab es wilde Handgemenge, oft nur aus Übermut. Doch die Aggression richtete sich weniger gegeneinander, vielmehr galt sie dem Geschehen auf der Bühne.
    Fiel ein Stück durch, gab es ziemlich lautstarke unmittelbare Turbulenzen, und es ging nicht ohne Sperrfeuer ab. Bierhumpen, Knackwürste, Orangen, alles, was man gerade zur Hand hatte, wurde auf die Bühne geschleudert. In der englischen Theatergeschichte sind viele Aufführungen verzeichnet, bei denen das Publikum die Bühne gestürmt hat, die die Theaterbauer in weiser Voraussicht oft durch eine mit Dornen gefüllte Abzäunung vor übertriebenen Gefühlsbezeugungen schützten. Es ist überliefert, dass sogar ein Mitglied des Königshauses, der Prinz von Cumberland, einmal einen Sturmtrupp enttäuschter Zuschauer angeführt hat. Vom empörten Publikum wurde in mehreren Fällen die Einrichtung des Theaters demoliert, einmal hat man das Haus sogar in Brand gesteckt, und es kam vor, dass Schauspieler zu ihrer Verteidigung tatsächlich zum Degen griffen und das Ganze zu einer wahren Schlacht ausartete. Aus dem Grund wurde später, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, eine königliche Verordnung erlassen, wonach der Bühnenausgang stets von zwei Hellebardieren zu bewachen sei.
    Für diese Verordnung gab es allerdings noch einen weiteren Grund. Zu Shakespeares Zeit genossen englische Schauspieler oft die Patronage hochrangiger Herrschaften; Shakespeares Truppe stand beispielsweise im Dienst von Lord Chamberlain. Natürlich nahm der hochgestellte Patron, wenn er selbst im Theater erschien, direkt auf der Bühne Platz, vermutlich mitsamt seinem Gefolge. Diese Unsitte artete im 18. Jahrhundert so sehr aus, dass der Anhang wie selbstverständlich auf der Bühne saß und, von der Vorstellung unbeeindruckt, Konversation machte. Die Schauspieler waren davon naturgemäß wenig angetan. Einmal geschah es, dass ausgerechnet Quin, einer der größten Mimen seiner Zeit, in Shakespeares ›Macbeth‹ auftrat – er spielte die gruselige Szene, in der vor ihm der Dolch erscheint und ihn mit der Anziehungskraft eines Magneten zum Mord verleitet. Just in diesem Augenblick kam ein Edelmann auf die eine Seite der Bühne, setzte sich, sah sich ungeniert um und entdeckte dann auf der anderen Seite einen guten Bekannten. Er erhob sich und überquerte die Bühne, um den Freund zu begrüßen. Quin, dessen großer Monolog damit geschmissen war, brachte dies so auf, dass er sich mit dem Dolch in der Hand auf den edlen Herrn stürzte. Ein Tumult entbrannte, ich entsinne mich nicht mehr der Opferzahl, doch seitdem war es verboten, dass außer den Schauspielern jemand auf der Bühne Platz nahm.
    Nun, so verhielt sich einst das Theaterpublikum in England. Umso stummer bleibt es heute. Höchst selten lässt es sich zum Applaus hinreißen.
    Als wichtigster Wesenszug der Engländer von heute, wie wir sie uns vorstellen, gilt ihre humane Einstellung, und diese Charaktereigenschaft heben sie auch selbst stets hervor. Der Engländer ist mitfühlend und bestrebt, Leidenden beizustehen, er liebt friedliche Lösungen. Niemals attackiert er in Schwierigkeiten geratene Menschen. Seine Warmherzigkeit und Menschlichkeit schließt auch die Tiere ein, eine mächtige Organisation kämpft in England gegen die Vivisektion, ja, in der Tat lässt sich der Engländer durch nichts besser

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