Krumme Gurken
lachst du so blöd, Mia?«, kreischte Anna.
»Ich hab gedacht, du willst Benni mit deinem Besteck killen«, sagte Mia und heulte wieder vor Lachen auf. Hmm … Telepathie? Egal! So war’s auf jeden Fall gewesen, verdammt noch mal! Von Carmela keine Spur, trotzdem hatte ich mich hier voll erledigt. Ey! Mann! So blöd hast du noch nie gelacht! Warum gerade heute, he? Ab jetzt würde ich nie und nimmer und nirgendwo ein Herz einfügen.
Geschichten aus dem Plattenbau
Ich joggte durch den langen Flur. Klar haben mich meine bösen Taten ins Grübeln gebracht. War ich eigentlich noch bei Trost? Zuerst beschmeiße ich meine Königin mit Germknödel und anschließend lache ich sie aus. Auch mit dem ungesunden Selbstbewusstsein sollte man’s nicht übertreiben. Was sollte ich nur am Abend an meinem Liebesloch tun, verdammt? Wie würde ich bei Anna mein zerknittertes Ansehen ausbügeln? Du kannst den Mädels etwas auf der Flöte vorspielen, sagte ich mir. Dann musst du nicht reden. Du holst halt deine Flöte raus und bläst sie in den Schlaf. Ein schönes Flötenstück müsste Anna doch wieder milde stimmen. Mehr kannst du sowieso nicht machen.
»Benn?«, hörte ich eine hohe Stimme hinter mir. Anna? Verfolgte sie mich mit ihrem Besteck? Ich drehte mich. Zum Glück war es nur die Schulleiterin. »Wie geht es dir, Benn?«
»Super!«, sagte ich. »Könnte ich kurz an Ihre Computer? Ich sollte da noch was konfigurieren, damit das Netz abgesichert ist.«
»Selbstverständlich«, sagte Frau Korcks. »Komm mit!« Im Lehrerzimmer hantierte ich etwas an den Rechnern rum. »Du kannst den Rechner hier im Lehrerzimmer auch privat
nutzen«, sagte sie. »Bis endlich die Leitung in dein Zimmer gelegt wird.«
»Kann ich auch was ausdrucken?«, fragte ich.
»Nur zu!«
Ich druckte mir aus dem Netz ein paar Noten aus. Konnte sie sogar noch lesen. Auf Facebook und Co. verschwendete ich keinen einzigen Gedanken. »Auf Wiedersehen, Frau Korcks!«
»Tschüss, Benn!«
Im Zimmer holte ich meine Flöte und jagte nach draußen. Der Sommer dachte nicht an den Abschied, hatte Bayern anscheinend bis Ende September gemietet. Ich lief tief in den Wald. Wollte sowieso zuerst die Gegend checken. Das hab ich schon bei den Computerspielen gelernt. In jeder Gegend findest du Hilfen, in jeder Gegend lauert Gefahr. Also zuerst gucken, nützliche Gegenstände sammeln, Energiepilze futtern. Ich trampelte über einen engen Pfad, duckte mich dann und wann unter tief hängenden Ästen. Links von mir eine Waldwiese. Die Sonne verschwand plötzlich: das dunkle Land. Etwas unheimlich hier. Eine Brise blies dem Gras einen Trauermarsch. Die Grashalme beugten ihre Köpfe. Jede Sekunde erwartete ich das Wiehern der Pferde und einen Angriff der schwarzen Reiter, der Nazgûls. Doch nur die Vögel zwitscherten fröhlich im Chor, und die Insekten zirpten einen Melodieteppich, den sie über die Wiese legten. Darauf konntest du glatt ins Märchenland fliegen. Die Sonne boxte die Wolke weg. Beim Weitergehen schossen noch einmal kurz die Bilder von den Ferien auf dem Land bei Oma durch meinen Kopf.
Nach etwa einer Stunde schälte sich aus dem Wald plötzlich ein kleiner See. Und ich verschwitzt wie Frodo auf dem Schicksalsberg. Nur loderte vor mir kein Feuer hoch – eine
schöne Wasseroberfläche lockte mich wie ein frisch bezogenes Bett. Nur noch rein! Leider keine Badehose dabei. Egal! Hier herrschte nackte Natur. Die würde vor einem nackten Menschen sicher nicht erschrecken. Die Mädels hatten sowieso noch Unterricht, ansonsten weit und breit keine Ortschaft … Bennie im Paradies ohne Feigenblatt.
Ich schwamm ein paar Runden im See. Wonne pur, bis auf ein paar freche Mücken. Aber was wäre schon ein Paradies ohne kleine Störenfriede? Voll langweilig! Wieder am Ufer übte ich auf der Flöte All You Need Is Love von den Beatles und andere Songs ein. Die Angst vor Legionellen war wie weggeblasen, vielleicht würde ich noch dank den Mädels zu einem Flötenvirtuosen werden. Meine Flötenlehrerin hatte mich nicht so motivieren können. Vielleicht machten wir mal aus den Krummen Gurken eine Ska-Band, Flöte statt Saxophon, und dann könnten wir in Dresden ein echtes Konzert steigen lassen. Die schöne Aussicht ließ mich frohlocken. Und meine Entscheidung, nie und nimmer und nirgendwo Herzen einzufügen, bereute ich und beschloss, sie wieder rückgängig zu machen.
Am Abend guckte ich mir am Notebook einen alten Bud-Spencer-Schinken an. Ich hörte zwar
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