Krumme Touren in Texas
Sie
verfolgt?«
»Ich habe an einer Story gearbeitet und eins auf
den Kopf bekommen.« Ich erzählte ihr von der
Treibjagd durch den Wald.
»Ach, du lieber Himmel! Warum in aller Welt
wollten die Sie umbringen? Wer hat die angeheuert?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Aber wenn ich es
herausfinde, werde ich nicht vergessen, Sie zu
informieren.«
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Sie strahlte mich an. »Oh, ja. Bitte tun Sie das! Ich
kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte
Mal so gut amüsiert habe.« Na, wenigstens eine.
Gertrude kam zurück. »Miss Ima, Fred hat den
Gärtner geholt, sie sind draußen und sehen sich um.
Ich habe ihnen gesagt, das sollen sie nicht, aber sie
machen es trotzdem.«
Donnerlittchen! Ima Hogg! Nicht zu fassen, daß
ich sie nicht erkannt hatte. Alle in Houston verehrten
diese Frau. Sie war die Tochter des ersten
Gouverneurs von Texas, der gebürtiger Texaner war,
und sie hatte fast im Alleingang das Houstoner
Symphonieorchester am alten Majestic Theater
aufgebaut. Sie war so reich, daß sie an der Hintertür
stehen und bis an ihr Lebensende eimerweise Geld in
den Fluß werfen könnte, ohne pleite zu gehen. Zum
Glück für die Leute in Houston hatte sie es statt
dessen vorgezogen, das Geld in städtische Kunst und
Kultur zu werfen.
Ich saß in ihrer Küche und schlürfte Brandy,
während sie Einzelheiten der Story aus mir
rausquetschte. Den Umständen entsprechend, konnte
ich ihr nicht viel erzählen, sondern trug eine stark
zurechtgestutzte Version vor.
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»Das ist ja spannend! Wirklich spannend!« Sie
bestand darauf, daß ich eine heiße Dusche nahm, und
gab mir einen dicken Bademantel zum Überziehen.
»Gertrude, bring Hollis nach oben in ein
Schlafzimmer.«
»Oh, das geht nicht, Miss Ima«, sagte ich. »Ich
muß nach Hause. Meine Hündin macht sich sonst
Sorgen.«
Das gefiel ihr. Ich hatte es nicht gesagt, um sie zu
unterhalten. Es stand fest, daß ich Ärger mit Anice
bekommen würde, weil ich so lange weggeblieben
war.
Der Chauffeur und der Gärtner kehrten von ihrer
Runde ums Grundstück zurück. »Ich glaube, sie sind
uns entwischt, Miss Ima«, sagte der größere
entschuldigend.
Sie haute mit der Hand auf den Tisch. »Verflucht.«
Genau das hätte ich auch gesagt.
»Ich schätze, dann ist es kein Problem, wenn ich
nach Hause gehe«, sagte ich. »Ich rufe mir nur ein
Taxi und mache mich auf die Socken.«
»Das kommt gar nicht in Frage! Fred wird Sie
fahren. Fred, bring Miss Carpenter nach Hause.«
Die Bediensteten grinsten einander an.
»Jawohl, Ma’am, Miss Ima«, sagte Fred und ging
den Wagen holen.
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»Ich muß mich anziehen.« Ich deutete auf den
violetten Bademantel, den sie mir geliehen hatte.
»Ihre Sachen können Sie unmöglich wieder tragen.
Nehmen Sie einfach den Bademantel.«
»Ich bringe ihn morgen zurück«, versprach ich.
»Ach was, vergessen Sie den Bademantel. Ich
möchte nur den Rest der Geschichte hören.« Sie
lächelte.
Ich bedankte mich und versicherte, daß ich ihr
über den Ausgang Bericht erstatten würde.
Ein Auto hupte draußen vor der Tür, und ich
verabschiedete mich von der First Lady von Houston
und kletterte in den großen schwarzen Cadillac. Fred
legte den Gang ein und rollte aristokratisch aus der
breiten, kreisförmigen Auffahrt und in den Wald an
Miss Imas Biegung des Flusses – unter Kiefern,
Magnolien, Amberbäumen, Eichen und Platanen
hindurch, vorbei an Farnen, Azaleen, Oleander und
Kamelien – und hinaus in die Lazy Lane.
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6
Der Regen tropfte noch immer in Strömen herunter
wie einem eingebuchteten Kokskopf der Schweiß, als
Fred mich vor meinem Haus absetzte. Ich wickelte
den geborgten violetten Bademantel fest um mich
und stolzierte wie eine Königin hoch erhobenen
Hauptes durch die Haustür. Charlotte und Park
saßen in meinem Wohnzimmer, mit vorwurfsvoll
verkniffenen Augen und Schmollmund.
»Sieh dich doch an«, sagte Park sarkastisch.
»Spazierst hier rein mit nichts an als einem lila
Morgenmantel im strömenden Regen, nachdem du
die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen bist!
Was sollen die Nachbarn denken?«
»Das, was sie immer denken. Ihr solltet euch lieber
diesen Flunsch vom Gesicht abwischen, sonst geht er
nie wieder ab, und ihr müßt den Rest eures Lebens
rumlaufen und aus der Wäsche gucken wie der
Puritaner Cotton Mather in einer Peepshow.«
Ihre Mienen verhärteten sich noch mehr, und
Charlotte verschränkte die Arme. »Wir haben
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