Krumme Touren in Texas
es.«
Charlotte ging zum Tisch und wählte, dann nahm
sie das Telefon in die Hand und setzte sich, während
wir ungefähr eine Stunde warteten.
»Sie geht nicht ran«, sagte sie schließlich.
»Wer hätte das gedacht. Okay, wir versuchen es
später noch mal. Ich bin müde. Ich habe die ganze
Nacht nicht geschlafen und bin reif fürs Bett. Weckt
mich, wenn die Indianer Manhattan überfallen, um es
zurückzuerobern. Ich will sie anfeuern.«
Ich las Anice auf und schleppte sie ins
Schlafzimmer, und wir verschliefen den Rest des
Tages.
Es goß immer noch, als Charlotte mich mit einem
Knuff in die Schulter weckte. »Vor der Haustür steht
ein Mann«, flüsterte sie aufgeregt. »Park und ich
wollten nicht aufmachen, ohne dich zu wecken.«
»Wer ist es?«
»Wissen wir nicht.«
175
Ich kletterte ächzend aus dem Bett, schlurfte
schlaftrunken zur Kommode, nahm die 25er heraus
und steckte sie in die Bademanteltasche.
»Heiliger Strohsack«, murmelte ich, als ich zur
Haustür gestolpert war und sie aufgerissen hatte.
Es war der große Gorilla mit der Hakennase, der
Schwester Jasmine in die Fourteenth Street chauffiert
hatte. Er stand da in einem hellbraunen Trenchcoat,
das Wasser lief von der Krempe seines braunen
Filzhuts, und blickte zu mir herunter. Sein Mund
verzog sich nervös zuckend zu etwas, was ein
entwaffnendes Lächeln darstellen sollte. Es jagte mir
eiskalte Schauer über den Rücken. Schnell zückte ich
die Pistole und zielte auf sein linkes Nasenloch.
»Was wollen Sie?« schnauzte ich.
Er sprang zurück und hielt die Hände in die Luft.
»Ich habe eine Nachricht für Sie.«
»So, wie lautet sie?«
Er schielte zum graugrünen Himmel und deutete
mit einem Kopfrucken auf den strömenden Regen.
»Kann ich reinkommen? Es ist ziemlich naß hier
draußen.«
»Aber klar doch, Sie können reinkommen – sowie
der Papst meinen Antrag auf Heiligsprechung
bewilligt hat.«
176
Er machte ein langes Gesicht vor Enttäuschung
und zog den Mantelkragen fester um den Hals. »Ich
werd’ nich’ mehr, was’n los mit Ihnen?«
»Ich mag die beiden Jungs von Schwester Jasmine
nicht, die mich letzte Nacht um die Ecke bringen
wollten. Ich schätze, Sie sind vorbeigekommen,
damit der Auftrag diesmal ordentlich ausgeführt
wird«, knurrte ich.
»Wovon zum Teufel reden Sie?« knurrte er zurück.
»Dub und Earl. Da habt ihr ja saublöde Amateure
auf mich angesetzt. Wenn Schwester Jasmine mich
das nächste Mal umlegen lassen will, sollte sie besser
etwas anderes als zwei Knalltüten schicken.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Schwester
Jasmine läßt keine Leute umbringen. Sie schon gar
nicht. Sie mag Sie. Außerdem kenne ich keinen Dub
oder Earl«, sagte er aufrichtig.
Das führte zu nichts. »Geben Sie mir einfach die
Nachricht und verschwinden Sie.«
Er langte langsam in seine Manteltasche und zog
einen weißen Briefumschlag hervor. »Hier. Schwester
Jasmine wird bestimmt enttäuscht sein, wenn sie
hört, wie gemein Sie waren und daß Sie dachten, sie
wollte Ihnen was antun.«
Ich riß ihm den Umschlag aus der Pranke. »Los
jetzt, verschwinden Sie.«
177
Mit tiefbetrübter Miene drehte er sich um und
ging.
Charlotte und Park streckten die Köpfe durch die
Tür meines Arbeitszimmers.
»Wer war das?«
»Einer von Schwester Jasmines Schlägern. Er hat
eine Nachricht von ihr gebracht.« Ich hielt den
Umschlag hoch.
Sie stürzten begierig ins Zimmer. »Zeig her.«
Ich preßte den Umschlag an die Brust, weg von
ihren habgierigen Fingern, und ging zu meinem
Lieblingssessel, um mich zu setzen und den kurzen,
glorreichen Augenblick der Macht über sie
auszukosten. Mein Brief… ätsch, ätsch, ätsch!
Sie umringten mich und sahen mir zu, wie ich den
Umschlag ordentlich öffnete und das weiße
Briefpapier entfaltete. Es duftete schwach nach
Shalimar.
Liebe Hollis,
ich brauche Deine Hilfe. Ruf mich an, Wayside 2226.
Bitte zeig diese Nachricht niemandem. Ich bin in
schrecklicher Gefahr. Frag nach Zimmer Nummer
acht.
Keine Unterschrift.
178
»Ist das ihre Handschrift?« fragte ich Charlotte.
Sie nahm mir den Brief aus der Hand und las ihn.
»Laß mich mal sehen!« schrie Park schließlich
aufgebracht und riß ihn ihr aus den Fingern. Er las
mit zuckenden Lippen.
»Was soll das?« brüllte ich. »Ihr führt euch auf wie
Moses, als er die Zehn Gebote empfing.«
Charlotte schnappte sich den Brief und las ihn
noch mal. »Ruf sie an.«
Ich blickte
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