Krumme Touren in Texas
den großen Hund?« fragte
ich ängstlich. Sie wedelte mit dem drei Zentimeter
langen Stummelschwanz und bellte zum Zeichen,
daß die Luft rein war. »Okay, du wartest hier und
bewachst das Auto. Bell, wenn dir irgendwas
auffällt.«
Ich nahm die kleine braune Papiertüte mit, meine
Geheimwaffe gegen die dänische Dogge. Ich hoffte,
sie würde lieber an einem Hamburger als an einem
faden alten Arm kauen, wenn sie die Wahl hatte.
Das Verandalicht war nicht an, aber aus dem
Wohnzimmer
kam
ein
trüber,
gelblicher
Lampenschein. Ich klopfte an die Fliegentür und
wartete.
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Kein Hund. Keine Mrs. Stovall. Ich klopfte wieder,
drehte mich um und warf einen Blick zu den
Nachbarhäusern. Keine Gesichter, die mich
ausspionierten. Ich öffnete die Fliegentür und klopfte
an die Glasscheibe der Haustür. Kaum hatte ich sie
berührt, schwang sie einen Spaltbreit auf. Mein Herz
machte einen Satz wie ein barfüßiger Tourist auf
heißem Sandstrand. Mist. Ich wollte nicht da rein,
aber ich wußte, ich würde es sowieso tun. Vorsichtig
drückte ich die Tür auf und warf noch einen raschen
Blick in die Nachbarschaft, um mich zu vergewissern,
daß niemand zusah. Nervös wie eine junge Braut in
der Hochzeitsnacht trat ich über die Schwelle. Leise
schloß ich die Tür hinter mir, nahm die Pistole aus
der Tasche und entsicherte sie. So fühlte ich mich
schon viel besser.
Das Schlafzimmer rechts von mir war dunkel und
leer. Ich wandte mich nach links und ging ins
Wohnzimmer. Die Einrichtung war Früher
Amerikanischer Stil. Zierdeckchen und Sesselschoner
bedeckten jeden vorhandenen Quadratzentimeter.
Kleine, billige, häßliche Glasschuhe, Porzellantassen
und Untertassen zierten die Tische und den
Kaminsims. Auf einem Klavier in der Ecke standen
messinggerahmte Fotografien von Kindern mit
Zahnlücken. Die Notenblätter für das Kirchenlied
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»Rock of Ages« lagen auf der Sitzbank. Mein Atem
ging stoßweise vor Angst, als ich mich in den
dunklen Flur drückte, der in den hinteren Teil des
Hauses führte. Ich tastete mich zentimeterweise
vorwärts und gab einer Tür zu meiner Linken einen
Schubs. Badezimmer. Die Tür rechts gehörte zu
einem Schrank voller Bettwäsche und Handtücher.
Ich schlich weiter. Ein dreieckiger Lichtfleck von
einer offenen Tür weiter hinten erhellte das Zimmer
vor mir spärlich – ein Licht am Ende des Tunnels,
sozusagen.
»Mrs. Stovall?« rief ich leise. Meine Stimme brach,
und ich räusperte mich hustend. Mein Fuß stieß
gegen etwas auf dem Boden, ich stolperte fast
darüber. Ich wollte nicht hinsehen. Die Dogge. Ich
kniete neben ihr nieder und legte meine Hand auf
ihre große Brust. Sie atmete, Gott sei Dank. Schnell
strich ich mit den Fingern über ihren Körper, konnte
kein Blut fühlen, nur eine Beule auf dem Kopf. Ich
fing an zu zittern, als mir die Wut hochstieg. Ich
tätschelte ihr zart den Rücken und stellte die Tüte mit
dem Hamburger vor ihre Nase.
Meine Füße wollten mich nicht mehr tragen, aber
ich zwang sie auf Zehenspitzen zur Küchentür zu
gehen. Auf dem Boden im Türrahmen lagen zwei
große rote Äpfel, ein kleines Stück weiter eine
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Orange und eine Birne. Ein Fuß in einem glatten
schwarzen Lederhalbschuh mit Keilabsatz und
breiten Kappen ragte hinter dem Küchentisch hervor.
Mein Nacken verknotete sich und sträubte die Haare.
Ich ging langsam hinein. Mrs. Stovall lag auf dem
Rücken, ein Bein verdreht unter dem anderen. Der
Rock ihres lavendelfarbenen Mantelkleids war über
die Schenkel hochgerutscht. Ihre Augen waren offen
und starrten auf die Deckenlampe. Ihre rechte Hand
umklammerte krampfhaft einen Strohkorb, in dem
sich vermutlich das Obst befunden hatte, das jetzt
verstreut auf dem Boden lag. Ich brauchte sie nicht
zu berühren, um mich davon zu überzeugen, daß sie
tot war. Zwei der Küchenstühle mit gerader
Rückenlehne
waren
umgekippt,
und
eine
Whiskeyflasche war in eine Ecke gerollt. Ich sah mich
schnell im Haus um, vergewisserte mich, daß der
Mörder nicht noch irgendwo lauerte, dann ging ich
wieder zu der Dogge, um zu sehen, was ich für sie
tun konnte. Sie war noch nicht zu sich gekommen,
also knipste ich eine Lampe an und ging ins
Badezimmer, um ein feuchtes Handtuch für ihren
Kopf zu holen.
Es dauerte ungefähr zehn Minuten, sie wieder zu
Bewußtsein und auf die Beine zu bringen und ihr zu
helfen, ins Wohnzimmer zu torkeln, damit sie sich
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aufs Sofa legen
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