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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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den großen Hund?« fragte
    ich ängstlich. Sie wedelte mit dem drei Zentimeter
    langen Stummelschwanz und bellte zum Zeichen,
    daß die Luft rein war. »Okay, du wartest hier und
    bewachst das Auto. Bell, wenn dir irgendwas
    auffällt.«
    Ich nahm die kleine braune Papiertüte mit, meine
    Geheimwaffe gegen die dänische Dogge. Ich hoffte,
    sie würde lieber an einem Hamburger als an einem
    faden alten Arm kauen, wenn sie die Wahl hatte.
    Das Verandalicht war nicht an, aber aus dem
    Wohnzimmer
    kam
    ein
    trüber,
    gelblicher
    Lampenschein. Ich klopfte an die Fliegentür und
    wartete.
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    Kein Hund. Keine Mrs. Stovall. Ich klopfte wieder,
    drehte mich um und warf einen Blick zu den
    Nachbarhäusern. Keine Gesichter, die mich
    ausspionierten. Ich öffnete die Fliegentür und klopfte
    an die Glasscheibe der Haustür. Kaum hatte ich sie
    berührt, schwang sie einen Spaltbreit auf. Mein Herz
    machte einen Satz wie ein barfüßiger Tourist auf
    heißem Sandstrand. Mist. Ich wollte nicht da rein,
    aber ich wußte, ich würde es sowieso tun. Vorsichtig
    drückte ich die Tür auf und warf noch einen raschen
    Blick in die Nachbarschaft, um mich zu vergewissern,
    daß niemand zusah. Nervös wie eine junge Braut in
    der Hochzeitsnacht trat ich über die Schwelle. Leise
    schloß ich die Tür hinter mir, nahm die Pistole aus
    der Tasche und entsicherte sie. So fühlte ich mich
    schon viel besser.
    Das Schlafzimmer rechts von mir war dunkel und
    leer. Ich wandte mich nach links und ging ins
    Wohnzimmer. Die Einrichtung war Früher
    Amerikanischer Stil. Zierdeckchen und Sesselschoner
    bedeckten jeden vorhandenen Quadratzentimeter.
    Kleine, billige, häßliche Glasschuhe, Porzellantassen
    und Untertassen zierten die Tische und den
    Kaminsims. Auf einem Klavier in der Ecke standen
    messinggerahmte Fotografien von Kindern mit
    Zahnlücken. Die Notenblätter für das Kirchenlied
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    »Rock of Ages« lagen auf der Sitzbank. Mein Atem
    ging stoßweise vor Angst, als ich mich in den
    dunklen Flur drückte, der in den hinteren Teil des
    Hauses führte. Ich tastete mich zentimeterweise
    vorwärts und gab einer Tür zu meiner Linken einen
    Schubs. Badezimmer. Die Tür rechts gehörte zu
    einem Schrank voller Bettwäsche und Handtücher.
    Ich schlich weiter. Ein dreieckiger Lichtfleck von
    einer offenen Tür weiter hinten erhellte das Zimmer
    vor mir spärlich – ein Licht am Ende des Tunnels,
    sozusagen.
    »Mrs. Stovall?« rief ich leise. Meine Stimme brach,
    und ich räusperte mich hustend. Mein Fuß stieß
    gegen etwas auf dem Boden, ich stolperte fast
    darüber. Ich wollte nicht hinsehen. Die Dogge. Ich
    kniete neben ihr nieder und legte meine Hand auf
    ihre große Brust. Sie atmete, Gott sei Dank. Schnell
    strich ich mit den Fingern über ihren Körper, konnte
    kein Blut fühlen, nur eine Beule auf dem Kopf. Ich
    fing an zu zittern, als mir die Wut hochstieg. Ich
    tätschelte ihr zart den Rücken und stellte die Tüte mit
    dem Hamburger vor ihre Nase.
    Meine Füße wollten mich nicht mehr tragen, aber
    ich zwang sie auf Zehenspitzen zur Küchentür zu
    gehen. Auf dem Boden im Türrahmen lagen zwei
    große rote Äpfel, ein kleines Stück weiter eine
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    Orange und eine Birne. Ein Fuß in einem glatten
    schwarzen Lederhalbschuh mit Keilabsatz und
    breiten Kappen ragte hinter dem Küchentisch hervor.
    Mein Nacken verknotete sich und sträubte die Haare.
    Ich ging langsam hinein. Mrs. Stovall lag auf dem
    Rücken, ein Bein verdreht unter dem anderen. Der
    Rock ihres lavendelfarbenen Mantelkleids war über
    die Schenkel hochgerutscht. Ihre Augen waren offen
    und starrten auf die Deckenlampe. Ihre rechte Hand
    umklammerte krampfhaft einen Strohkorb, in dem
    sich vermutlich das Obst befunden hatte, das jetzt
    verstreut auf dem Boden lag. Ich brauchte sie nicht
    zu berühren, um mich davon zu überzeugen, daß sie
    tot war. Zwei der Küchenstühle mit gerader
    Rückenlehne
    waren
    umgekippt,
    und
    eine
    Whiskeyflasche war in eine Ecke gerollt. Ich sah mich
    schnell im Haus um, vergewisserte mich, daß der
    Mörder nicht noch irgendwo lauerte, dann ging ich
    wieder zu der Dogge, um zu sehen, was ich für sie
    tun konnte. Sie war noch nicht zu sich gekommen,
    also knipste ich eine Lampe an und ging ins
    Badezimmer, um ein feuchtes Handtuch für ihren
    Kopf zu holen.
    Es dauerte ungefähr zehn Minuten, sie wieder zu
    Bewußtsein und auf die Beine zu bringen und ihr zu
    helfen, ins Wohnzimmer zu torkeln, damit sie sich
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    aufs Sofa legen

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