Krumme Touren in Texas
großflächig über die ganze Wohnung wie Hänsel
und Gretel im Märchen die Brotkrumen. Ich sprang
unter die Dusche, blieb lange unter ihrem Strahl, weil
ich versuchte, die Regengicht und den Dunst von Tod
und Korruption aus meinen Knochen zu spülen.
Ein schwacher Parfümduft schwebte von meinem
Schlafzimmer herüber in den Flur. Mein Herz begann
wie wild gegen meine Rippen zu hämmern wie ein
riesiger Geist, der nach über tausendjähriger
Gefangenschaft aus der Flasche will. Ich ging
langsam um das Bett herum und kroch vorsichtig
unter die Decke. Ein warmer, schlanker Körper
drehte sich zu mir.
»Willst du nicht einmal wissen, wer es ist?« fragte
eine heisere Stimme leise.
»Nein. Es ist mir eigentlich egal, wer es ist.«
Eine Hand knuffte mich in die Schulter.
Ich lachte. »Ich wußte schon, wer es ist. Ich habe
dein Parfüm im Flur gerochen.«
»Tatsächlich? Was für ein Parfüm ist es?«
»Ein teures.«
»Gut, du hast den Test bestanden. Dann können
wir loslegen.«
Einige Stunden später, als Lily und ich Händchen
haltend dalagen und redeten, sagte ich: »Ich dachte,
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du wolltest mindestens noch einen Monat in
Frankreich bleiben.«
Ich knipste die Lampe an, um sie zu betrachten.
Wie üblich blieb mir beim Anblick ihrer Schönheit die
Spucke weg. Sie strich ihr schwarzes Haar, ein langer
Pagenkopfschnitt, aus der Stirn zurück, als sie nach
einer Zigarette auf dem Nachttisch griff. Ihre Augen
waren schwarz wie ihr Haar, und ihre vollen Lippen
waren rot und geschwungen. Sie lächelte ihr
umwerfendes Lächeln. Sie war so schön, daß es
verboten werden müßte.
»Das hatte ich auch vor«, antwortete Lily, »aber
deine Briefe und Telegramme hörten sich so an, als
würden sich deine Schrauben gefährlich lockern, weil
du mich vermißt. Deshalb dachte ich, ich sollte besser
nach Hause fahren, bevor es zu spät ist und du völlig
durchdrehst.«
»Du hattest recht. Aber ich spüre schon, wie meine
Schrauben jede Minute fester werden.«
Sie lachte leise. »Erzähl mir von dieser Schwester
Jasmine.«
»Wieso weißt du von ihr?«
»Park und Charlotte haben mir so einiges erzählt,
gleich nachdem ich hier eingetroffen bin. Sie hatten
mindestens zwei Stunden lang meine ungeteilte
Aufmerksamkeit. Arme Charlotte! «
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»Klar, sie hat es immer geschafft, die lausigsten
Geliebten aufzugabeln, die sie finden konnte.«
»Erzähl mir die ganze Geschichte. Ich möchte sie
von dir hören.«
Ich erzählte alles – jedenfalls das meiste, ließ
lediglich ein paar überflüssige Details aus, wie
Schwester Jasmines Fummelei und Clancey Willsons
Drohungen.
»Was willst du als nächstes tun?«
»Ich habe überlegt, heute abend in den Grünen
Papagei zu gehen und mich nach Tony umzusehen,
dem Mann mit den silbernen Schlangenaugen. Ich
kenne den Besitzer des Lokals«, rühmte ich mich
bescheiden.
»Irgendwie überrascht mich das nicht. Du kennst
wahrscheinlich den Besitzer jeder Ginkneipe und
verrufenen Spelunke in der ganzen Stadt.«
»Wahrscheinlich.«
»Es ist wohl besser, wenn ich dich heute abend
begleite.«
»Mich begleiten?«
»In den Grünen Papagei. Mir scheint, du steckst in
letzter Zeit durchweg zu oft in Schwierigkeiten. Du
brauchst eine Stimme der Vernunft an deiner Seite.
Wenn ich mitkomme, hat das vielleicht mal eine
Ende mit diesen Geschichten von Schlägen auf den
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Kopf und ›Kaltmachen‹. Alles läßt sich diskutieren,
wenn du zivilisiert mit jemandem sprichst. Du siehst
doch, mir haut niemand auf den Kopf.«
»Ich hab’ mich nicht beim Kindersportverein
herumgetrieben und Häppchen gegessen, Lily«, sagte
ich verstimmt. »Diese Leute tauchen hinter mir auf,
ohne mir eine Chance zu geben, die Sache vernünftig
zu erörtern, Herrgott noch mal. Ich kann mich
genauso zivilisiert benehmen wie jede x-beliebige
Person.«
»Siehst du? Da haben wir’s, du regst dich zu
schnell auf. Ich habe nicht gesagt, du kannst dich
nicht zivilisiert benehmen, ich habe gesagt, es macht
dir keinen Spaß, dich zivilisiert zu benehmen. Du
ziehst es vor, in Lokalen namens Roter Gockel oder
Gelber Hund oder Grüner Papagei statt im
Dachgartenrestaurant des Rice Hotel zu sitzen. Du
liebst die dunklen, stinkenden Kneipen mit den
wilden Leuten. Du wüßtest wahrscheinlich nicht, wie
du dich in einem Raum voller Menschen verhalten
solltest, die noch alle Zähne im Mund haben.«
»Wahrscheinlich hast du recht. All die großen
weißen
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