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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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großflächig über die ganze Wohnung wie Hänsel
    und Gretel im Märchen die Brotkrumen. Ich sprang
    unter die Dusche, blieb lange unter ihrem Strahl, weil
    ich versuchte, die Regengicht und den Dunst von Tod
    und Korruption aus meinen Knochen zu spülen.
    Ein schwacher Parfümduft schwebte von meinem
    Schlafzimmer herüber in den Flur. Mein Herz begann
    wie wild gegen meine Rippen zu hämmern wie ein
    riesiger Geist, der nach über tausendjähriger
    Gefangenschaft aus der Flasche will. Ich ging
    langsam um das Bett herum und kroch vorsichtig
    unter die Decke. Ein warmer, schlanker Körper
    drehte sich zu mir.
    »Willst du nicht einmal wissen, wer es ist?« fragte
    eine heisere Stimme leise.
    »Nein. Es ist mir eigentlich egal, wer es ist.«
    Eine Hand knuffte mich in die Schulter.
    Ich lachte. »Ich wußte schon, wer es ist. Ich habe
    dein Parfüm im Flur gerochen.«
    »Tatsächlich? Was für ein Parfüm ist es?«
    »Ein teures.«
    »Gut, du hast den Test bestanden. Dann können
    wir loslegen.«
    Einige Stunden später, als Lily und ich Händchen
    haltend dalagen und redeten, sagte ich: »Ich dachte,
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    du wolltest mindestens noch einen Monat in
    Frankreich bleiben.«
    Ich knipste die Lampe an, um sie zu betrachten.
    Wie üblich blieb mir beim Anblick ihrer Schönheit die
    Spucke weg. Sie strich ihr schwarzes Haar, ein langer
    Pagenkopfschnitt, aus der Stirn zurück, als sie nach
    einer Zigarette auf dem Nachttisch griff. Ihre Augen
    waren schwarz wie ihr Haar, und ihre vollen Lippen
    waren rot und geschwungen. Sie lächelte ihr
    umwerfendes Lächeln. Sie war so schön, daß es
    verboten werden müßte.
    »Das hatte ich auch vor«, antwortete Lily, »aber
    deine Briefe und Telegramme hörten sich so an, als
    würden sich deine Schrauben gefährlich lockern, weil
    du mich vermißt. Deshalb dachte ich, ich sollte besser
    nach Hause fahren, bevor es zu spät ist und du völlig
    durchdrehst.«
    »Du hattest recht. Aber ich spüre schon, wie meine
    Schrauben jede Minute fester werden.«
    Sie lachte leise. »Erzähl mir von dieser Schwester
    Jasmine.«
    »Wieso weißt du von ihr?«
    »Park und Charlotte haben mir so einiges erzählt,
    gleich nachdem ich hier eingetroffen bin. Sie hatten
    mindestens zwei Stunden lang meine ungeteilte
    Aufmerksamkeit. Arme Charlotte! «
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    »Klar, sie hat es immer geschafft, die lausigsten
    Geliebten aufzugabeln, die sie finden konnte.«
    »Erzähl mir die ganze Geschichte. Ich möchte sie
    von dir hören.«
    Ich erzählte alles – jedenfalls das meiste, ließ
    lediglich ein paar überflüssige Details aus, wie
    Schwester Jasmines Fummelei und Clancey Willsons
    Drohungen.
    »Was willst du als nächstes tun?«
    »Ich habe überlegt, heute abend in den Grünen
    Papagei zu gehen und mich nach Tony umzusehen,
    dem Mann mit den silbernen Schlangenaugen. Ich
    kenne den Besitzer des Lokals«, rühmte ich mich
    bescheiden.
    »Irgendwie überrascht mich das nicht. Du kennst
    wahrscheinlich den Besitzer jeder Ginkneipe und
    verrufenen Spelunke in der ganzen Stadt.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Es ist wohl besser, wenn ich dich heute abend
    begleite.«
    »Mich begleiten?«
    »In den Grünen Papagei. Mir scheint, du steckst in
    letzter Zeit durchweg zu oft in Schwierigkeiten. Du
    brauchst eine Stimme der Vernunft an deiner Seite.
    Wenn ich mitkomme, hat das vielleicht mal eine
    Ende mit diesen Geschichten von Schlägen auf den
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    Kopf und ›Kaltmachen‹. Alles läßt sich diskutieren,
    wenn du zivilisiert mit jemandem sprichst. Du siehst
    doch, mir haut niemand auf den Kopf.«
    »Ich hab’ mich nicht beim Kindersportverein
    herumgetrieben und Häppchen gegessen, Lily«, sagte
    ich verstimmt. »Diese Leute tauchen hinter mir auf,
    ohne mir eine Chance zu geben, die Sache vernünftig
    zu erörtern, Herrgott noch mal. Ich kann mich
    genauso zivilisiert benehmen wie jede x-beliebige
    Person.«
    »Siehst du? Da haben wir’s, du regst dich zu
    schnell auf. Ich habe nicht gesagt, du kannst dich
    nicht zivilisiert benehmen, ich habe gesagt, es macht
    dir keinen Spaß, dich zivilisiert zu benehmen. Du
    ziehst es vor, in Lokalen namens Roter Gockel oder
    Gelber Hund oder Grüner Papagei statt im
    Dachgartenrestaurant des Rice Hotel zu sitzen. Du
    liebst die dunklen, stinkenden Kneipen mit den
    wilden Leuten. Du wüßtest wahrscheinlich nicht, wie
    du dich in einem Raum voller Menschen verhalten
    solltest, die noch alle Zähne im Mund haben.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. All die großen
    weißen

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