Krumme Touren in Texas
gehört.«
»Mist.«
»Allerdings.«
»Gab es noch einen Vorfall?«
»Vor ungefähr drei Wochen wurde ein kleines
Mädchen entführt, vergewaltigt und draußen an der
Hardy Road ausgesetzt.«
»Ich erinnere mich.« Ich hatte es in der Times
gelesen.
210
»Die Beschreibung des Vergewaltigers paßte auf
Willson.«
»Hat die Polizei irgendwas unternommen?«
»Es war draußen im Landkreis«, sagte Maury.
»Das Büro des Sheriffs hat ermittelt. Die ganze Sache
wurde fallengelassen wie eine heiße Kartoffel.«
»Wo ist das kleine Mädchen? Können wir mit ihr
sprechen?«
»Die Namen von Vergewaltigungsopfern werden
nicht bekanntgegeben. Und das Büro des Sheriffs hält
den Deckel drüber. Es stinkt zum Himmel.«
»Wenn es Willson war, hat er mehr Einfluß, als ich
dachte, und das will was heißen. Er muß gegen so
gut wie jeden im Staat Texas etwas in der Hand
haben, um so etwas vertuschen zu können!«
»Da liegst du wahrscheinlich richtig, Hollis.«
Ich bedankte mich bei ihm, dann wählte ich die
nächste Nummer.
Die Witwe Stovall meldete sich nicht, also bestellte
ich zwei Hamburger und eine Coca-Cola und setzte
mich in eine rote Nische. Eine große, verchromte
Musikbox in der Ecke plärrte »Night and Day«. Nur
sechs andere Gäste saßen verstreut im Raum, starrten
leer vor sich hin und tranken graue Kaffeeplörre. Das
Lokal roch wie jeder andere schmierige
Abfütterungsladen im Land – nach gebratenen
211
Zwiebeln und Hamburgerfett. Anice leckte sich
erwartungsvoll die Lippen, als die Kellnerin auf uns
zusteuerte.
»Einmal mit Zwiebeln, Senf und sauren Gurken.
Einmal ohne Zwiebeln, in mundgerechte Stücke
geschnitten. Wer bekommt was?« fragte sie, die
Lippen
zusammengepreßt.
Ihr
großes
Papieransteckbukett wogte wütend an ihrer
ketchupverschmierten grünen Uniform. Sie glotzte
bloß aus kalten, toten Augen, bis ich schließlich auf
Anice deutete, um darauf hinzuweisen, wer von uns
welchen Hamburger bekam. Sie knallte uns die
dicken weißen Teller auf den Tisch.
»Woher soll ich das denn wissen? Wir haben nicht
viele Hunde hier.«
»Tja, das überrascht mich nicht«, sagte ich. »Und
ich brauche noch einen Hamburger in einer Tüte zum
Mitnehmen, bitte.«
Sie rümpfte säuerlich die Nase, warf den Kopf
zurück und rauschte zurück zum Tresen, wo sie
anfing, demonstrativ die Donut-Vitrine zu polieren.
Als wir aufgegessen und an der Kasse bezahlt
hatten, versuchte ich noch einmal, Mrs. Stovall zu
erreichen. Wieder nichts.
Ich warf einen Blick auf die große runde Uhr mit
dem weißen Zifferblatt, die an der Wand neben der
212
Tür hing, und beschloß, zu ihr zu fahren. Vielleicht
besuchte sie nur eine Nachbarin und kam bald
wieder nach Hause. Da ich kein Material in Waymon
Stovalls Praxis gefunden hatte, mit dem er Leute
erpressen konnte, rechnete ich mir aus, daß er es aller
Wahrscheinlichkeit nach zu Hause aufbewahrt hatte.
Ich nahm den Extrahamburger und Anice, stieg in
Parks Wagen und fuhr auf der Houston Avenue
Richtung Norden. Was hatte Stovall gewußt, das ihn
das Leben gekostet hatte? Es war nicht die Tatsache,
daß Chuckie süchtig war – das reichte eigentlich nicht
mal für eine Erpressung, geschweige denn dazu, den
Möchtegern-Erpresser zu beseitigen. Es mußte eine
Nummer größer sein – und ich war überzeugt, daß
Schwester Jasmine wußte, was es war. Stovall hatte
offenbar mehr als eine Person erpreßt. Vielleicht
sogar jemanden aus Schwester Jasmines Gemeinde.
Es goß immer noch wie aus Kübeln, als wir in die
Bayland Avenue brausten. So ein Unwetter konnte
sich in Houston tagelang austoben, und es sah ganz
danach aus. Die knorrigen schwarzen Äste der
mächtigen Immergrünen Eichen bildeten einen
Baldachin über der Straße und schwankten im Wind
wie
die
arthritischen
alten
Finger einer
Voodooqueen, die uns einen bösen Zauber schickte,
während wir darunter durchfuhren. Schatten von den
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Straßenlaternen tanzten gespenstisch über die
Motorhaube. Hin und wieder kam eine Lücke im
Blätterdach, wo die Wassermassen so laut aufs
Autodach trommelten, daß es klang, als haute
jemand mit einer Schaufel auf einen Blecheimer. Ich
zuckte dabei jedesmal zusammen.
Als ich vor Stovalls Haus hielt, war ich ein
Nervenbündel. Anice stand auf den Hinterbeinen
und bohrte ihren Blick aus dem Fenster in den
dichten Regenvorhang, durch den das Haus nur
schemenhaft zu erkennen war.
»Siehst du irgendwo
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