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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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einen
    zischen.«
    »Im Bahnhof? Ich dachte an ein nettes
    Restaurant.«
    »Es ist nur eine Straße weiter«, wandte ich ein.
    »Außerdem gibt es dort den besten Kaffee in der
    Stadt.«
    »Ach du lieber Himmel. Na gut.« Sie bog in die
    Crawford und parkte gegenüber vom Bahnhof, ein
    wuchtiges, neoklassizistisches Gebäude, das von
    derselben Architektengruppe entworfen worden war
    wie der Grand Central Bahnhof in New York.
    Wir stürzten durch den Regen über die Straße und
    an den Pfeilern und dorischen Säulen vorbei in die
    Wandelhalle, wo elektrische Kronleuchter von der
    vierzehn Meter hohen Decke hingen. Der Wartesaal
    mit dem französischen Marmorfußboden und dem
    Balkenwerk aus Walnußholz war brechend voll mit
    Leuten, die auf ein- oder ausfahrende Züge warteten.
    Da saßen junge Mütter in leichten Sommerkleidern
    mit ihren Kindern, und steife ältere Paare, die starr
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    geradeaus blickten. Ein alter, verrückter Mann am
    Stock wackelte zahnlos grinsend an uns vorbei und
    murmelte glücklich vor sich hin, während er auf den
    Fahrkartenschalter zusteuerte. Eine Frau riß ihren
    kleinen Jungen, der einen blauen Matrosenanzug
    trug, gerade noch rechtzeitig zur Seite. Ich hatte nicht
    soviel Glück – er schwang den Spazierstock und
    knallte ihn mir im Vorübergehen kräftig vors
    Schienbein.
    Lily biß sich auf die Lippe, um nicht loszuprusten.
    »Alles in Ordnung, mein Schatz?«
    »Laß uns einfach Kaffee trinken gehen«,
    brummelte ich, humpelte durch die Wandelhalle ins
    Restaurant und setzte mich an einen Tisch.
    Eine blonde, schlanke Kellnerin in schwarzem
    Kleid und gestärkter Schürze brachte uns Kaffee.
    »Was ist los?« fragte Lily, als sie sich Sahne aus
    dem kleinen weißen Keramikkännchen einschenkte.
    »Du siehst bedrückt aus.«
    »Ich weiß nicht. Ich kriege plötzlich Zustände. Ich
    glaube, ich rufe Park an und überzeuge mich, daß zu
    Hause alles in Ordnung ist.«
    Sie nickte, eine Augenbraue hob sich leicht. »Ich
    bin sicher, daß alles bestens ist«, beruhigte sie mich
    und tätschelte meine Hand. »Geh nur. Ich warte
    hier.«
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    Während ich durch die Wandelhalle hastete,
    versuchte ich, mir gut zuzureden. Ich riß die Tür einer
    Telefonzelle aus Walnußholz und Glas auf und
    wählte die Nummer. Parks Stimme trug nicht dazu
    bei, meine Befürchtungen zu zerstreuen – sie klang
    wie ein rostiger alter Nagel, der aus einer
    verwitterten Eichenplanke gezogen wird.
    »Charlotte ist weg«, sagte er schuldbewußt.
    »Weg? Was soll das heißen, weg?« Trotz des
    Frischluftventilators war es heiß und stickig in der
    Telefonzelle, und ich stieß die Tür einen Spalt auf.
    »Was ist passiert?«
    »Dein Telefon hat geklingelt, eine halbe Stunde,
    nachdem du los bist, und weil Charlotte und ich noch
    in deiner Wohnung waren, bin ich rangegangen, weil
    ich dachte, es könnte was Wichtiges sein.«
    Soviel also zu meinen restlichen Alkoholvorräten,
    dachte ich mißmutig. »Und?«
    »Und dieser Mann hat gesagt, ich soll dir
    bestellen, Schwester Jasmine ist noch vor Mitternacht
    tot, wenn du sie nicht aus ihrem Versteck holst.«
    »Herrgott noch mal. Das ist das Dümmste, was ich
    je gehört habe. Es ist sonnenklar eine Falle, damit mir
    jemand folgen und Jasmines Versteck finden kann. So
    blöd können die doch nicht sein. Ich brauchte
    Jasmine ja nur anrufen. Das Problem ist, jemand
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    scheint zu wissen, daß ich in Kontakt mit ihr stehe.
    Also, wo ist Charlotte?«
    »Sie will Schwester Jasmine warnen.«
    »Was? Du hast sie doch nicht etwa gehen lassen?«
    »Nein, ich habe sie nicht gehen lassen. Sie hat
    abgewartet, bis ich unter der Dusche war. Sie ist
    selbständig gegangen, ohne mich um Erlaubnis zu
    fragen«, setzte er sarkastisch obendrauf.
    »Oh, Scheiße.« In meinem Kopf pochte es.
    Er fügte hinzu: »Nicht nur das, sie hat deinen
    Wagen genommen.«
    »Oh, Scheiße.«
    »Und eine von deinen Pistolen.«
    »Oh, Scheiße.« Ich drückte meine Schläfen mit
    dem rechten Daumen und Mittelfinger zusammen.
    »Wie lange ist sie schon weg?«
    »Über eine Stunde.«
    »Oh, Scheiße.«
    »Würdest du mal aufhören, das zu sagen?« schrie
    er. »Ich fühle mich schon mies genug, ohne daß du
    wie die Stimme des Jüngsten Gerichts aus der Gosse
    tönst.«
    »Okay, okay. Du bleibst da, falls sie anruft. Ich
    sehe zu, daß ich sie finde.«
    Ich knallte den Hörer auf die Gabel und
    marschierte zurück zum Restaurant, wo Lily saß und
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    aus einer goldenen Spitze eine lange

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