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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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sag’ ich, ›das Auto da
    fährt zu schnell! Wo soll das denn nur hinführen,
    diese jungen Leute fahren wie wildgewordene
    Warzenschweine die Straße rauf und runter.‹
    Jedenfalls bog das blaue Auto da in die Auffahrt, und
    es war noch keine Minute vergangen, da kommt das
    andere Auto hinterhergerast, und ich sag’ zu meiner
    Freundin, ›Ethel‹, sag’ ich, ›das Auto da verfolgt das
    blaue Auto.‹ Und genau so war’s, das Auto, also das
    zweite, parkte gleich da drüben, vor der Tür.« Sie
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    hielt inne, um Luft zu holen und zu sehen, wie ich
    reagierte.
    Ich riß die Augen auf und machte ein
    sensationslüsternes Gesicht. Das genügte ihr nicht.
    Ich riß die Augen weiter auf und keuchte:
    »Ogottogott!«
    Sie nickte zufrieden und fuhr fort. »Dann stieg
    dieser Mann – der auf der Beifahrerseite, nicht der
    Fahrer – aus dem zweiten Auto und schnüffelte
    herum, so geduckt.« Sie zog die Schultern hoch und
    ging im Kreis, um seine Schleicherei zu
    demonstrieren. »Dann verschwand er hinter dem
    Haus, und wir konnten ihn nicht mehr sehen. Und ich
    sag’ zu Ethel, ›Ethel‹, sag’ ich, ›ich glaube, da drüben
    gibt’s gleich Ärger. Meinst du nicht, wir sollten die
    Polizei rufen?‹« Sie sprach es allerdings wie »Po-
    lizei« aus, mit der Betonung auf »Po«.
    »Aber Ethel sagt, ›Na, na, Beulah Mae‹, sagt sie,
    ›das geht dich doch nichts an. Du hast eine
    hyperaktive Phantasie. Du hörst zuviel Radio.‹«
    Die alte Dame lachte gackernd, dann langte sie ins
    Oberteil ihres dünnen Baumwollkleids, um ihren BH-
    Träger hochzuziehen, und ließ mir Zeit, über das zu
    lachen, was Ethel gesagt hatte. Ich lachte herzhaft.
    Als sie mit der Ausführlichkeit meiner Lachsalven
    hinlänglich zufrieden war, legte sie wieder los.
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    »›Eine hyperaktive Phantasie.‹ Ich weiß nicht, wo
    Ethel das hochtrabende Zeug her hat. Aber Ethel, die
    liest eine Menge, wissen Sie. Zuviel, wenn Sie mich
    fragen. Aber mich fragt ja nie jemand –
    wahrscheinlich haben sie Angst vor dem, was ich
    ihnen erzählen würde!«
    Triumphierend verhöhnte sie die Angst, die sie
    ihresgleichen mit ihren Ansichten einflößte. Als sie
    ihren Übermut endlich wieder im Griff hatte, fuhr sie
    fort. »Jedenfalls kommt der Mann zum Auto
    zurückgeschlichen und steigt wieder ein. Die zwei
    sitzen da noch ‘ne Weile länger, und dann steigen sie
    beide aus und fangen an herumzuschnüffeln.« Erneut
    zog sie die Schultern hoch und schlich im Kreis. Ich
    biß die Zähne zusammen, weil es eine Zumutung
    war, der Schilderung zu folgen.
    »Was passierte dann?« flötete ich, damit sie
    wieder zur Sache kam.
    »Also, dann ging die Schießerei los. Peng, peng,
    peng. Ethel und ich haben uns fast in die Hosen
    gemacht. Und ich sagte: ›Ethel, ich hab’s doch gleich
    gesagt! Die Leute da drüben bringen sich gegenseitig
    um!‹ Also ist Ethel reingelaufen und hat die Po-lizei
    gerufen, und ich bin hier draußen geblieben, um zu
    sehen, was los war. Also, so wahr ich hier steh’, ich
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    sag’ Ihnen, die Knallerei ging weiter, peng, peng,
    peng, wie Josua in der Schlacht von Jericho!«
    Ich hörte zum ersten Mal vom Gebrauch von
    Feuerwaffen im Alten Testament.
    »Also, nach einer Weile hörte die Schießerei auf,
    und ich lief über die Straße zu dem Gebäude da« – sie
    deutete auf die Rezeption –, »um mich umzuschauen
    und zu sehen, ob ich was sehen konnte. Ungefähr in
    dem Moment kam das blaue Auto aus der Auffahrt
    wie ‘n geölter Blitz und ist da runter!« Sie deutete
    Richtung Osten.
    »Wer saß in dem blauen Auto?« fragte ich.
    »Ich meine, es war eine Dame am Steuer, aber es
    war schrecklich dunkel, es war ja schon Nacht, und
    es regnete und so, deshalb kann ich es nicht
    beschwören. Und es sah so aus, als ob noch zwei
    Leute da im Auto gewesen sein könnten. Im ganzen
    drei.«
    »Was war mit dem Mann im zweiten Auto?«
    »Tot. Alle beide. Mausetot geschossen, gleich da
    drüben. Ich bin hingegangen und hab’s mir
    angesehen, als das blaue Auto weg war«, sagte sie
    wichtigtuerisch. »Sie lagen einfach da im Regen wie
    zwei Haufen Maultiermist. Ich kann Ihnen sagen, so
    was wie das hier habe ich seit der Aufhebung der
    Prohibition nicht mehr gesehen. Damals haben wir
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    solche Sachen ja ziemlich oft erlebt. Hier haben sich
    jede Menge Schwarzhändler rumgetrieben.«
    Ich nickte und sah den Bullen bei der Arbeit zu.
    Ein kleiner Mann in Khakihose und schmutzigem

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