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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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schwarze
    Zigarette rauchte.
    »Wir müssen los.«
    »Stimmt etwas nicht?« fragte sie besorgt.
    »Ich erzähl’s dir im Auto«, sagte ich und warf
    einen Vierteldollar auf den Tisch für Kaffee und
    Trinkgeld. Ohne auf das Wechselgeld zu warten,
    schnappte ich sie und rannte los.
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    8
    Alle naselang goß es wie aus Kübeln, dann legte sich
    der Regen, dann schüttete es wieder. Blitze zuckten
    und Donner grollte. Wasser rauschte in den
    Rinnsteinen, überflutete tiefer gelegene Teile der
    Straßen und spiegelte die Neonlichter der Spelunken
    am Harrisburg Boulevard.
    Der Regen war gerade noch rechtzeitig gekommen
    und hatte eine unchristlich lange, unerträglich heiße
    Trockenperiode beendet, die die Nerven reizbar
    machte wie bissige Hunde – die drückend schwüle
    Hitze des Südens, die das Hirn versengte und den
    Glauben auf eine schwere Probe stellte. Glühend
    heiße Sommertage, wenn der Teufel auf deiner Brust
    sitzt und dir Stück für Stück die Seele aus dem Leib
    saugt. Wut lodert auf, Babys brüllen, Gras
    vertrocknet, Bäume lassen die Blätter hängen,
    Männer prügeln sich, und Frauen verzweifeln. Ja
    wirklich, der Regen kommt immer gerade noch
    rechtzeitig.
    »Leg einen Zahn zu«, drängte ich Lily, als wir
    durch das Wasser auf den Straßen spritzten. Sie
    starrte
    durch
    die
    regengepeitschte
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    Windschutzscheibe und drückte auf die Tube. Der
    Packard schoß vorwärts, ohne in den tiefen Pfützen
    einen Zentimeter auszubrechen.
    Eine Querstraße vor der Touristenresidenz sahen
    wir, daß etwas passiert sein mußte. Eine große
    Menschenmenge mit Schirmen stand herum und
    gaffte. Mehrere Polizeiwagen mit Blaulicht parkten
    vor Schwester Jasmines Häuschen.
    »Oh, nein.« Mein Mund trocknete aus und mein
    Magen machte einen Salto. »Fahr weiter.«
    Lily ging vom Gas und blickte mich verwirrt an.
    »Fahr einfach weiter. Halt bei der nächsten
    Querstraße, ich gehe von da aus zurück. Ich möchte
    nicht, daß die Polypen uns sehen.«
    »Ich komme mit«, sagte sie ruhig.
    »Nein, du wartest am besten im Wagen. Wenn ich
    dich brauche, komm schnell.« Ich glitt aus dem Auto
    und machte die Tür zu.
    »Laß es Charlotte gut gehen«, schickte ich ein
    Stoßgebet los, wer auch immer da zuhörte. »Ich
    verzichte auch ein Jahr lang auf Schokolade.«
    Ich drängte mich durch die Menge nach vorn und
    tippte einem schmuddelig aussehenden Kauz im
    Blaumann auf die Schulter. »Was ist denn hier los?«
    fragte ich naiv und deutete auf die Polizisten.
    »Schießerei«, sagte er, ohne mich anzusehen.
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    »Wirklich? Wer wurde erschossen?«
    Er wandte mir sein hageres, unrasiertes,
    staubgeschmirgeltes Gesicht zu und kaute
    nachdenklich auf einem Tabakpriem. Seine dünnen
    Lippen stülpten sich langsam zu einem länglichen
    Blasrohr vor, als er einen Schwall ekelhaft braunen
    Saft vor meine rechte Fußspitze spuckte.
    »Männer.« Er verschwendete seine Worte wie
    unbezahlbare Juwelen.
    »Wirklich? Frauen wurden nicht erschossen, ja?
    Jemand in der Straße hat gesagt, eine Frau wurde
    erschossen«, log ich und starrte die ganze Zeit wie
    gebannt auf seine Lippen, die sich gerade wieder mit
    dem Tempo einer alten Dampflokomotive
    vorstülpten, die eine schwere Last einen steilen Berg
    hochzieht.
    »Näh«, sagte er gedehnt, streckte die Silbe.
    Ich gewöhnte mich langsam daran und zerbrach
    mir den Kopf nach einer Frage, die ihn dazu zwang,
    einen ganzen Satz zu bilden, statt nur ein Wort zu
    benutzen. Er beobachtete mich mit der
    durchtriebenen Schläue einer Ratte, die immer den
    Käse kriegt. Seine kleinen bornierten Knopfaugen
    wußten, was ich dachte. Für einen Satz hätte ich dem
    Hundesohn ein Rendezvous mit Greta Garbo auf
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    einer tropischen Insel anbieten können, und er hätte
    »Näh« gesagt. Sturer alter Idiot.
    Ich schnaubte verächtlich und schob mich zu einer
    anderen Person in der Menge. Diesmal suchte ich
    eine Frau aus. Sie war klein, pummelig, grauhaarig,
    Mitte sechzig und trug ein dünnes Mehlsackkleid.
    »Was ist passiert?« fragte ich.
    »Also, ich war da drüben am Haus von meiner
    Freundin«, fing sie aufgeregt an und zeigte auf ein
    zweigeschossiges weißes Haus im viktorianischen
    Stil, ein Stück weiter die Straße runter, »und wir
    sah’n, wie der blaue Wagen da mit einem Affenzahn
    angeschossen kam. Wir saßen da draußen auf der
    Verandaschaukel, tranken Eistee und freuten uns
    über den Regen und das kühle Lüftchen. Und ich sag’
    zu meiner Freundin, ›Ethel‹,

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