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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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jeden Abend hier. Du solltest dich
    vor ihm in acht nehmen. Er ist so ziemlich der
    Abgebrühteste im Sortiment. Hat kein Gewissen, das
    ihn stört. Er könnte jemandem die Kehle mit einem
    rostigen Rasiermesser aufschlitzen und dabei ein
    Sandwich essen.« Funkelnde Diamanten blitzten im
    trüben Licht, als John seine Handflächen nach oben
    drehte und die Achseln zuckte, um zu illustrieren,
    wie beiläufig für Tony Garcia ein Mord war.
    Lily sah etwas blaß um die Nase aus. »Vielleicht
    hätten wir nicht herkommen sollen.«
    John lachte. »Damit haben Sie wahrscheinlich
    recht, Ma’am.« Er stand auf und nickte ihr zu.
    »Ma’am. Hollis.« Dann war er verschwunden,
    verschluckt von der Menge.
    233
    Der Barkeeper ließ uns nicht auf dem Trockenen
    sitzen, während wir die im Grünen Papagei
    heimische Flora und Fauna beobachteten. Ein
    gelangweilt
    aussehender
    Klavierspieler
    mit
    schmutzigem
    weißem
    Hemd,
    schwarzen
    Ärmelhaltern und einem zwischen den dünnen
    Lippen baumelnden goldenen Zahnstocher trat auf
    und fing an, auf die Tasten eines abgetakelten
    Klaviers in der Ecke einzuhämmern. Es dauerte
    ungefähr fünf Minuten, bis aus einer anderen Ecke
    des Lokals ein schwerer Glasbierkrug durch die Luft
    zischte und seine Birne traf. Die Spaßvögel, die in der
    Nähe standen, brachen in dumpfes Beifallsgebrüll
    aus. Was für ein witziger, geistreicher Verein.
    »Nur eine kleine Salonkomödie zum Auftakt des
    Abends«, sagte ich und nippte ungerührt an meinem
    Drink.
    Lily starrte ungläubig, als zwei Männer den
    bewußtlosen Klavierspieler wegschleppten. »Ich
    nehme an, ihnen gefiel das Stück nicht, das er
    gespielt hat.«
    »Och, ich bezweifle, daß es so was
    Schwerwiegendes war. Wahrscheinlich hatte einfach
    einer einen leeren Bierkrug und keine Idee, was er
    sonst damit anfangen könnte«, sagte ich.
    234
    Sie lachte, weil sie dachte, ich hätte bloß einen
    Scherz gemacht. Ich ließ sie in dem Glauben – damit
    ging es ihr sicherlich besser.
    Jemand stöpselte die Musikbox ein und fütterte sie
    mit einem Haufen Münzen. Bessie Smith’ Stimme
    schwebte durch die Luft, sie sang einen heiseren
    »B.D. Blues«. Die neusten Scheiben in der Musikbox
    mußten mindestens zehn Jahre alt sein. Eine Frau in
    einem engen roten Kleid taumelte von einem
    Barhocker, schnappte sich einen Seemann und
    wirbelte zu der jazzigen Musik über die verräucherte
    Tanzfläche.
    Ein kleiner Wiener Stuhl flog in hohem Bogen
    durch die Kneipe und landete dröhnend auf einem
    kleinen,
    schmierigen
    Lackaffen
    in
    einem
    schlechtsitzenden feinen Anzug. Sein großer gelber
    Filzhut mit der langen roten Feder im Band mußte
    den Aufprall gedämpft haben, denn er schnitt nur
    eine
    Wolfsgrimasse
    und
    sprang
    in
    Messerkampfstellung auf die Füße. Die Klinge des
    Rasiermessers, das aus dem Nichts in seiner Hand
    auftauchte, blitzte im Licht.
    Der dunkelhäutige Matrose, der den Stuhl
    geschleudert hatte, lächelte und bleckte einen
    glänzenden Goldzahn. »Leck mich doch, du
    235
    schmierige kleine Drecksau, du!« brüllte er und
    drückte den Knopf seines Schnappmessers.
    »Nein, leck du mich doch, Freundchen!« kreischte
    der Lackaffe, seine Stimme überschlug sich vor
    Erregung.
    Big Kate glitt wachsam auf sie zu wie eine Kobra,
    die aus ihrem Korb gelockt wird.
    »Willst du nicht mal hingehen und sehen, ob du
    die Sache vernünftig klären kannst?« foppte ich Lily.
    »Braucht wahrscheinlich bloß eine kleine zivilisierte
    Diskussion, was meinst du?«
    Sie beugte sich über den Tisch und flüsterte: »Leck
    mich.«
    »Gleich hier? Jetzt sofort? Ich bin schockiert!« Ich
    lachte.
    Ein großer Mann schob sich zur Bar und drängte
    kleinere Gestalten aus dem Weg. Ein armer Trottel
    war so dumm oder so betrunken, nicht ausweichen
    zu wollen, und der Große packte den Trottel beim
    Schlafittchen und hämmerte sein Gesicht auf die
    Theke wie einen Messingtürklopfer.
    »Das ist unser Mann«, flüsterte ich Lily aus dem
    Mundwinkel zu. Der Große benutzte jetzt das
    Gesicht des Trottels, um mit dem Lärm den
    Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen. Teufel,
    warum auch nicht? Blödsinnig, sich die eigenen
    236
    Knöchel wundzuklopfen, wenn du die Nase von
    jemand anderem auf die Theke hauen kannst.
    Lily schaute immer noch atemlos Big Kate zu, wie
    die ihren Knüppel auf die beiden Messerkämpfer
    niedersausen ließ. Ich mußte zugeben, es war
    sehenswert – sie war eine Künstlerin in ihrem Fach.
    Die beiden Männer

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