Kryptum
der Spanischen Garde. Ihre Statur und die rauhen Stimmen kontrastierten mit der hohen Diskantstimme eines Zwerges, der sich nun zwischen ihren Beinen hindurchdrängte und mit dem sie eine heftige Auseinandersetzung führten. Das mußte Borrasquilla sein, der Hofnarr des Königs und Herreras Freund, der dem Architekten sein Haus zur Verfügung stellte, wenn dieser im Escorial zu tun hatte, wie ich am Vortag erfahren hatte.
›Was ist los?‹ fragte Herrera.
›Nichts, was der Rede wert wäre. Sie wollten mir nur die Kleidungsstücke entreißen‹, erklärte der Zwerg und überreichte mir die Kleidung, die er mir mitgebracht hatte.
Herrera wandte sich nun an die Hellebardiere, und an seinem strengen Befehlston erkannte ich den Offizier wieder, den ich auf unserer Reise von Laredo nachYuste kennengelernt hatte. Die Wachen waren verwirrt, und während einer von ihnen davonging, um den Kommandanten zu holen, blieben die beiden anderen unschlüssig mitten im Zimmer stehen. Zumindest hinderten sie mich nicht daran, der Anordnung des Architekten zu folgen und mich anzuziehen.
Es dauerte auch nicht lange, da kam Zenturio herbeigestürzt, der sich noch im Laufen seinen Degen umschnallte. Er zeigte auf mich und rief:
›Dieser Kerl ist verhaftet.‹
›Und wer hat das verfügt?‹ erkundigte sich Herrera mit ungerührter Miene.
Er wußte es nur zu gut. Er stellte die Frage lediglich, um Zenturio zu demütigen, den er voller Verachtung von oben bis unten musterte, wobei sein Blick besonders lange auf dem schiefsitzenden Leibriemen verweilte.
|440| ›Ich‹, brüstete sich der Prahlhans.
›Seid Ihr wieder in die Wache aufgenommen worden? Ich wähnte Euch eigentlich in einer der Trinkstuben. Aber da Ihr schon einmal hier seid, solltet Ihr wissen, daß Seine Majestät den Rat desjenigen verlangt, den Ihr als Euren Gefangenen anseht und auch so behandelt.‹ Und an mich gewandt fügte er hinzu: ›Kommt, Raimundo, Seine Majestät wartet nicht gern.‹
Mit diesen Worten schob der Architekt die Piken zur Seite, die die Hellebardiere instinktiv vor uns gekreuzt hatten, und eilte hinaus zu einer Treppe, die uns direkt in das Vorzimmer des Saales führte, in dem der König die Versammlung abzuhalten gedachte. Emsiges Kratzen der Federn und leises Getuschel erfüllten den Raum. Herrera bat einen der Schreiber, uns anzukünden.
Für weitere Überlegungen blieb mir keine Zeit, denn spornstreichs wurden wir in den Ratssaal gerufen. Der Saal, der auf die nach Norden hin gelegene Galerie hinausging, an deren Fensterläden der Nordwind gerade heftig rüttelte, war sehr dunkel. Man hatte den Kamin angezündet, neben dem sich das Kopfende des Tisches befand, an dem der Monarch thronte. Ihm zur Seite saß Artal de Mendoza, schräg gegenüber der Bibliothekar Benito Arias Montano und der Moriske Alonso del Castillo.
Ich sah mir den König genau an, dem ich bis dahin nur in der Dunkelheit der Bibliothek begegnet war. Er hatte eine helle Haut, Haar und Bart waren blond, die Brauen dünn. Seine großen, stahlblauen Augen über der schmalen Nase wurden von hängenden Lidern verdeckt, was ihm ein etwas reserviertes Aussehen verlieh. All das stand jedoch in offenem Widerspruch zu den sinnlichen kirschroten Lippen. Er war geschmackvoll in schwarze Seide gekleidet. Über seinem Wams trug er einen mit Zobelpelz gefütterten Kapot aus Damast und auf dem Kopf ein Barett aus Taft, das mit Hermelin ausgeschlagen war. Um den Hals hing eine goldene Kette mit einer tränenförmigen Perle.
Der Monarch nutzte unser Eintreten, um nach seinem Kammerdiener |441| zu schicken, und während ihm dieser den Kapot abnahm, sah mich Philipp II. durchdringend an, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Mir wurde dabei ganz unbehaglich zumute, erst recht, als der König Artal etwas zuraunte, worauf dieser mir ebenfalls einen abschätzenden Blick zuwarf und Seiner Majestät dann flüsternd eine Antwort gab. Der König nickte und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf die Papiere vor ihm. Im Laufe der anschließenden Unterredung fiel mir zwar auf, daß er denjenigen, der sprach, kaum ansah, selbst wenn er sich direkt an ihn wandte, und seine Augen nur ab und zu einmal hob, um den Blick von einer Seite zur anderen schweifen zu lassen; nichtsdestotrotz merkte ich, wie Philipp II. mehr als einmal neugierig zu mir herüberblickte. Wer weiß, was man ihm über mich erzählt hatte …
Auf einen Wink des Königs ergriff Juan de Herrera als erster das Wort. Seiner
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