Kryptum
Gefahr, für einen |481| Agenten der Spanier gehalten zu werden. Und falls mir wirklich irgend jemand nachspürte, würde das seinen Verdacht nur bestätigen.
Doch was blieb mir anderes übrig? Also beschloß ich, mich mit meinen Goldschmiedewerkzeugen auf der Westseite der Großen Moschee gegenüber den Buchhändlern niederzulassen. Unweit der Notare und Schreiber von Bittgesuchen hatten dort etwa dreißig ihre Stände aufgebaut. Tag für Tag tat ich mich nun dort um, wobei ich mich vorsah, nie zu viele Fragen auf einmal zu stellen, um ja kein Mißtrauen gegen mich zu erregen. Mal ließ ich hier ein Wort fallen, blätterte dort in ein paar Bänden, machte beiläufig eine Bemerkung … und dennoch brachten mich meine Nachforschungen keinen Zoll weiter. Und zu allem Überfluß war ich mir auch immer sicherer, daß mich jemand beschattete: Mindestens zweimal war mir schon jemand zur Herberge gefolgt.
Eines Abends, ich hatte bereits über die Hälfte der Buchhändler befragt, erschien in der Herberge ein Mann, der mich sprechen wollte. Weder stellte er sich vor noch erklärte er, was er von mir wollte, sondern er fragte nur, ob man in meiner Kammer ungestört reden könne.
›Ich glaube schon‹, antwortete ich.
Als wir allein waren, kam er gleich zur Sache.
›Mein Name ist Muley Idris. Und ich gebe Euch den guten Rat, mit Euren Erkundigungen nicht fortzufahren.‹
Man beschattet mich also, wie ich es vermutet habe, sagte ich mir, und grübelte darüber nach, für wen dieser Mann arbeitete, dessen Gesicht mir nicht unbekannt vorkam. Doch ich ließ mir nichts davon anmerken, sondert erwiderte nur:
›Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet.‹
›Aber, aber! Das wißt Ihr nur zu gut. Ich rede von den Kodizes, die Rubén Cansinos gehört haben.‹
Die Überraschung, die sich in meinem Gesicht spiegelte, war so echt, daß sie Muley Idris allein hätte ausreichen müssen, um jeden Zweifel über die wahren Beweggründe meiner Fragerei auszuräumen.
|482| ›Ihr kennt Rubén Cansinos?‹ fragte ich verblüfft.
›Nein. Aber ich hatte schon einmal ein paar Bücher von ihm in den Händen.‹ Und als spüre er mein Mißtrauen, fuhr er fort: ›Ich bin Buchhändler. Man hatte sie mir zum Begutachten vorgelegt. Deshalb konnte ich dieser Tage auch erraten, wonach Ihr sucht. Wenn Ihr meine Kollegen weiter gelöchert hättet, hättet Ihr Euch irgendwann selbst verraten.‹
›Und warum wollt Ihr mir helfen?‹ fragte ich, nach wie vor auf der Hut.
›Ich möchte Euch nicht helfen, ich möchte, daß Ihr aufhört, aller Welt Fragen zu stellen. Damit bringt Ihr Euch und nebenbei auch mich in Gefahr.‹
Ich schwankte noch, ob ich ihm glauben sollte. Aber er war zumindest der erste Mensch, der mir einen Hinweis geben konnte. Egal, ob er zu etwa führte oder nicht, ich mußte ihm nachgehen.
›Wenn Ihr Cansinos nicht kennt, wer hat Euch dann seine Bücher gebracht?‹ fragte ich ihn deshalb.
›Maluk, ein Kaufmann, der diesem sephardischen Juden schon vor längerem sein Geschäft und sein Haus abgekauft hat. Besser gesagt, er hat sie ihm weggenommen.‹
›Wo kann ich diesen Maluk finden?‹
›Soviel ich weiß, ist er nach Kairo gereist. Aber da ich sehe, daß Ihr mir nicht traut und selbst überprüfen wollt, ob ich die Wahrheit sage, verrate ich Euch, wo Ihr seinen Laden findet. Unter der Bedingung, daß Ihr den Buchhändlern keine weiteren Fragen mehr stellt.‹
Ich erklärte mich damit einverstanden. Am folgenden Tag suchte ich Maluks Laden auf und befragte seine Gehilfen, die mir bestätigten, daß ihr Brotgeber erst in zwei bis drei Monaten aus Kairo zurückkehren werde. Einmal mehr stellte ich dann jedoch fest, daß es nicht einfach war, den Geschworenen zu finden: Als ich mich nach Rubén Cansinos erkundigte, wiesen sie mir barsch die Tür. So suchte ich Muley Idris auf, der mir dieses Mal jedoch noch gereizter schien.
›Ihr glaubt mir also immer noch nicht. Dann muß ich Euch |483| wohl erklären, warum ich auf keinen Fall möchte, daß Ihr noch einmal hierherkommt oder mich zu treffen versucht. Wenn Euch etwas zustößt, dann bin ich das nächste Opfer.‹
›Aber vor wem muß ich denn auf der Hut sein? Und wen fürchtet Ihr?‹
›Das fragt Ihr noch, nachdem die halbe Stadt Bescheid weiß, wen Ihr sucht? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man Euch verhaften wird. Ich weiß bloß, daß Maluk die Bücher aus Cansinos’ Bibliothek in zwei Fässer verpacken ließ, denn ich habe für ihn ihren Wert
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