Kryptum
gerade mit der Fernbedienung aufgeschlossen hatte.
Sie mußten einen großen Umweg machen, um zur Plaza Mayor zu gelangen, die an diesem Dienstagnachmittag noch stärker bewacht wurde als in den Tagen zuvor. Der Platz sah irgendwie kahl aus. Man hatte sämtliche Pflastersteine entfernt und sie sorgfältig unter den Arkaden aufgeschichtet. Der Krater in der Mitte, wo der Brunnen und die Monstranz versunken waren, war mit orangefarbenen Plastikplanen abgedeckt. |525| Drumherum war nur noch ein gräuliches Sandfeld zu sehen, das mit Harken für die Radaruntersuchung geglättet worden war. Von den Ergebnissen würde einiges abhängen. Je nachdem, wie der Bericht ausfallen würde, würden sie die ersehnte Genehmigung zur Erforschung des Lochs und der möglicherweise darunterliegenden unterirdischen Gänge erhalten. Oder eben auch nicht.
Inspektor Gutiérrez sah ziemlich übernächtigt und zerschlagen aus. Er sei am Sonntag auf der Hochzeit seiner Nichte gewesen, erklärte er, nachdem er sie begrüßt hatte; wegen der ganzen Vorbereitungen für die Untersuchung habe er es nicht zum Begräbnis geschafft. Was ihm sehr leid tue. Er hoffe sehr, daß die Kollegen in El Escorial den Fall bald aufgeklärt hätten. Rachel sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Es fehlte nicht viel, daß sie ihm an die Gurgel gesprungen wäre.
Zum Glück mußten sie nicht lange auf den Kleintransporter mit den Wissenschaftlern warten. Er kam pünktlich auf die Minute. Ein Mann mittleren Alters stieg aus. Gutiérrez machte sie miteinander bekannt.
»Doktor José María Calatrava vom Geophysikalischen Institut.«
Der Wissenschaftler gab ihnen die Hand, während sein Team schon routiniert mit den Vorbereitungen begann. Calatrava sah nicht nur sympathisch aus, er war es auch. Nachdem er mit einem prüfenden Blick auf den Platz die Lage sondiert hatte, sah er sorgenvoll zum Himmel hinauf.
»Hoffen wir, daß es nicht gleich zu regnen anfängt; da oben braut sich was zusammen. Fangen wir also mit der Messung an. Wie ich sehe, hat der Platz in der Mitte einen Herzinfarkt erlitten«, brummte er und zeigte auf den Krater. »Schon seit langem ist hier eine gründliche Bodenradaruntersuchung fällig. Aber es mußte ja erst ein Unglück geschehen, damit diese Esel reagieren und ihr Einverständnis dazu geben.«
»Na, na …«, rügte Gutiérrez und eilte zu seinen Polizisten, die alle Hände voll zu tun hatten, die Schaulustigen hinter den Absperrungen zu halten.
|526| »Meinen Sie den Stadtrat?« fragte David den Geophysiker.
»Ach, eigentlich alle miteinander«, erwiderte Calatrava. »Den Stadtrat, denn das Rathaus steht hier direkt am Platz; die kirchlichen Behörden, schließlich ist ja auch die Kathedrale nicht weit; und ebenso die Militärverwaltung, weil gleich dahinter der Alkazar liegt. Das Grundstück und der Untergrund der Plaza Mayor fallen in die Zuständigkeit von allen drei Institutionen, und die einen wie die anderen drücken sich vor der Verantwortung. Aber glauben Sie bloß nicht, das hätte sich jetzt großartig geändert. Vorerst dürfen wir nichts anrühren. Nur schauen. Und je nachdem, wie unser Bericht ausfällt, erteilt man Ihnen die Erlaubnis oder auch nicht. Wann das sein wird, das hängt dann wieder von Inspektor Gutiérrez ab. Wahrscheinlich läßt er Sie erst hinunter, wenn man alle Einzelteile der Monstranz eingesammelt hat.«
»Und wie wollen Sie herausfinden, was da unten ist, wenn Sie nichts anrühren dürfen?« wollte David wissen.
»Mit unserem Georadar.«
»Ich dachte, mit einem Radar orte man Flugzeuge oder U-Boote . Da unten werden Sie so etwas kaum finden«, scherzte Bealfeld.
»Da unten kann es alles mögliche geben, vom Skelett eines ehrwürdigen Bischofs bis hin zu einem Dinosaurier. An so einem Ort können wir nur dieses elektromagnetische Reflexionsverfahren benutzen, alle anderen würden sehr ungenaue Messungen ergeben. Ein solches Bodenradar kann zur Bestimmung der Größe geologischer Schichten, zur Untersuchung von archäologischen Objekten, aber auch zum Auffinden von Hohlräumen eingesetzt werden. Und es ist gut geeignet, um Rohrleitungen und Wasseradern zu entdecken; soviel ich weiß, stieg vergangenen Donnerstag aus dem Krater dort eine wahre Fontäne auf.«
Im selben Augenblick kam der Assistent des Geophysikers zu ihnen.
»Wir sind soweit, Doktor Calatrava. Wenn Sie wollen, kann’s losgehen.«
|527| Calatravas Mitarbeiter hatten von einer Seite zur anderen mehrere Seile gespannt, so daß der
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