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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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in der Nachbarschaft ungewöhnlichen Lärm. Ich lief hinüber zu dem Turm, wo geschäftiges Treiben herrschte und mit einer Winde gerade ein schwerer, unförmiger Gegenstand nach oben gezogen wurde, beaufsichtigt von einem Mann, den ich als den Uhrmacher aus Cremona wiedererkannte, der mit Noah Askenazi gekommen war und schon seit einiger Zeit an jener Vorrichtung zum Messen der Zeit baute. Mir kam wieder in den Sinn, daß ich mich angeboten hatte, die Uhr nach ihrer Fertigstellung zu warten, weshalb ich mir angewöhnte, nach der Arbeit zusammen mit Rinckauwer den Uhrturm zu besuchen, wo wir zusahen, wie die Uhr zusammengebaut wurde. Der italienische Handwerker erklärte uns die Funktion jedes Einzelteils, und wir verstanden uns so gut, daß er mir erneut vorschlug, über seine Erfindung zu wachen und sie instand zu halten, sobald er Konstantinopel verlassen hätte. Ich hatte so meine Zweifel, hatte andererseits aber auch mein Wort gegeben. Rinckauwer redete mir ebenfalls zu, denn so könnte ich gutes Geld zu meinem Ersparten hinzuverdienen und dennoch meinen Aufgaben in der Druckerei nachgehen. Ich willigte schließlich ein, und zum Abschied überreichte mir der Cremonese eine Sanduhr, damit ich jeden Tag die Uhr auf dem Turm danach stellen konnte. Ich kümmerte mich nun also darum, die Uhr zu ölen, auf daß sie jede Stunde schlug. Und es war genau diese Glocke, die mich beflügelte, meinen Plan durchzuführen …«
    Randa hält inne. Unschlüssig sieht er seine Tochter an. Sie hat ihm lächelnd zugehört und dabei mit Befriedigung bemerkt, wie vor ihren Augen jener grandiose Erzähler zu neuem Leben erwacht ist, der sie als kleines Mädchen so oft mit seinen Geschichten erfreut hat.
    |127| »Seht Ihr?« spornt sie ihn jetzt an. »Ich habe es ja gesagt: Das Reden tut Euch gut. Erzählt weiter! Und denkt daran, Vater, daß ich verheiratet bin. Nur für den Fall, daß Ihr mir etwas vorenthalten wollt, so wie es meine Mutter immer getan hat, wenn ich sie danach gefragt habe, wie Ihr Euch kennengelernt habt.«
    »Nein, das ist es nicht …« Randa errötet, wodurch offensichtlich wird, daß sie seine Absicht durchschaut hat und ihm nun nichts anderes übrigbleiben wird, als seiner Tochter die ganze Geschichte zu erzählen. »Also gut … Es war eine Vollmondnacht, als ich wieder einmal hörte, wie sich Rebecca in ihrem Bett über mir unruhig hin und her wälzte. In diesem Moment schlug die Turmuhr zwölf, und eine Idee blitzte in mir auf. Die Treppe hatte genau dreiundzwanzig Stufen, ich hatte sie oft genug gezählt. Wenn es mir gelänge, jeweils zwei Stufen auf einmal zu nehmen, während die Glocken schlugen, würden diese das verdächtige Geräusch der metallenen Krampen übertönen, so daß ich sicher und unbemerkt zu Rebecca gelangen könnte. Ich beschloß, meinen Plan gleich in der nächsten Nacht in die Tat umzusetzen.
    Der Tag in der Druckerei zog sich endlos in die Länge, ich konnte die Mitternachtsstunde kaum erwarten. Endlich war es soweit. Das Haus lag in tiefem Schlaf, nur gelegentlich war das Knarren eines Balkens oder das Stampfen der Pferde im Stall zu hören. Als die Turmuhr elf schlug, stand ich leise auf, zündete eine Laterne an und drehte die Sanduhr um, die ich zum Stellen der Turmuhr benutzte. Als Mitternacht näher rückte, löschte ich das Licht, schlich aus meiner Kammer zur Treppe und stellte mich vor der ersten Stufe in Positur, den Fuß bereits ausgestreckt, um die ersten beiden Stufen zu nehmen, sobald am Turm die Glockenschläge einsetzten.
    Alles lief wie geplant, als hätte ich es zuvor schon viele Male ausprobiert. Ich kannte den Takt der Glockenschläge genau, weshalb es mir nicht schwerfiel, meine Schritte mit ihnen in Einklang zu bringen. Schon stand ich oben, barfuß und im Hemd, nur noch wenige Schritte trennten mich von Rebeccas Tür.
    |128| Da spürte ich plötzlich unter meinem Fuß ein haariges Etwas. Aber es war bereits zu spät: Ich trat ihr auf den Schwanz, worauf ein entsetzlich lautes Miauen ertönte und die Katze wie von Furien gehetzt davonsprang. Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte die Treppe hinunter, wobei ich mit großem Getöse jede einzelne der dreiundzwanzig Stufen zum Tönen brachte, die ich zuvor so geschickt genommen hatte, während die Krampen unter den Stufen meinen Fall wie dumpfes Gelächter begleiteten und den Weg meiner Schmach markierten.
    Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das Unglück wollte es, daß ich unten gegen

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