Kryptum
übergeben.«
|133| 3 Rachel Toledano
Im Auto herrschte drückende Hitze. Sobald das Gebäude der Stiftung hinter ihnen verschwunden war, stellte John Bealfeld die Klimaanlage an. Dann wischte er sich mit dem Armrücken den Schweiß von der Stirn und warf David Calderón, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß, einen erbosten Blick zu.
»Warum um Gottes willen mußten wir uns wie die Diebe durch den Hinterausgang davonschleichen?« wollte er empört wissen. »Falls Sie es vergessen haben sollten: Ich lebe hier in Newark und bin Polizeikommissar! Ich bin ein
Gesetzeshüter!
Ist Ihnen klar, in was für eine mißliche Lage Sie mich gerade gebracht haben?«
»Wenn wir den normalen Ausgang genommen hätten, hätten wir wertvolle Zeit verloren. Der Sicherheitsbeamte hätte uns garantiert nicht hinausgelassen und außerdem Carter zu Hilfe gerufen. Und der hätte uns nie erlaubt, daß wir den Pergamentkeil und Saras Aufzeichnungen mitnehmen.«
»Fünf Minuten vorher haben Sie sich noch rundweg geweigert, mich zu begleiten. Was hat Sie zu Ihrem plötzlichen Meinungsumschwung bewogen?«
»Ich habe meine Meinung nicht geändert. Es ist nur … dieses |134| Gestammel, das auf dem Papstvideo zu hören ist … genauso hat damals mein Vater gestammelt, unmittelbar bevor er in Antigua spurlos verschwand. Als ich es in den Nachrichten gesehen habe, war es kaum zu hören, weil die Kommentatorenstimme es übertönte. Aber jetzt besteht kein Zweifel mehr.«
»Und wie erklären Sie sich das?«
»Ich möchte lieber keine Vermutungen anstellen. Ich fürchte, ich werde Sie zu Rachel Toledano begleiten müssen, um zu erfahren, was Sara ihrer Tochter schreibt. Für wann hatten Sie sich mit ihr verabredet?«
»Wir hätten schon vor einer Viertelstunde dort sein sollen. Aber hier kann ich nicht schneller fahren, ich muß das Tempolimit einhalten. Weiß Rachel eigentlich von den Nachforschungen ihrer Mutter in Antigua?«
»Keine Ahnung, mir ist diese Frau ein Rätsel.«
»Und was meint Sara, wenn sie in dem Brief von den Problemen spricht, die Sie mit ihrer Tochter und der National Security Agency gehabt haben?«
»Ich dachte, das wüßten Sie.«
»Sara hat mir einiges angedeutet, aber ich würde gerne Ihre Version hören.«
»Ich weiß nicht, ob sich das lohnt …«
»Ich muß wissen, was zwischen Rachel und Ihnen vorgefallen ist. Ich möchte nicht ins Fettnäpfchen treten, verstehen Sie? Wir haben keine Zeit, erst irgendwelche alten Geschichten zu bereinigen …« Der Kommissar sah den jungen Mann einen Augenblick lang geradeheraus an. »David, bitte vertrauen Sie mir.«
»Das ist keine Frage des Vertrauens. Es sind einfach schlimme Dinge passiert. Und ich habe keine Lust, mich mit einer verwöhnte Göre auseinanderzusetzen.«
»Ich glaube, Sie schätzen Rachel falsch ein. Sie mag vieles sein, aber sicher keine typische Tochter aus höherem Hause. Sie hat es nicht leicht gehabt mit so einer Familie wie der ihren, und sie hat sich in NewYork ganz allein ihren Weg gesucht. Vielleicht ist sie seit dem Tod ihres Vaters einfach nur ein |135| wenig orientierungslos, und es fällt ihr schwer, sich mit Sara zu versöhnen …«
David starrte stumm vor sich hin. Die verdrängte Erinnerung an den Zusammenstoß zwischen ihm und Rachel schien ihn im Innersten aufzuwühlen. Bealfeld wollte gerade noch einmal nachhaken, da stoppte ihn der Kryptologe mit einer Handbewegung.
»Ist ja schon gut, Kommissar. Ich erzähle es Ihnen lieber, als mir weiterhin Ihre Predigt über die Tugenden der selbstlosen Halbwaisen Rachel Toledano anzuhören … Erinnern Sie sich, was ich Ihnen über das Programm CA-110 erzählt habe, an dem mein Vater in den fünfziger Jahren für die NSA arbeitete?«
»Dieses Projekt Babel, das eine Art Sprache entwickeln sollte, mit der man langfristig auf die Gefahr des endgelagerten Atommülls aufmerksam machen kann?«
»Genau das. Als mein Vater in den Sechzigern aus diesem Programm gedrängt wurde, schickte Abraham Toledano ihn nach Antigua, wo er ein Zentrum für Sephardische Studien aufbauen sollte. Dort arbeitete er heimlich weiter an all dem, von dem man ihn hatte abbringen wollen. Insbesondere an diesem verflixten Programm CA-110. Bis er Mitte der Siebziger dann diesen Pergamentkeil im Escorial entdeckte.«
»… den Philipp II. im Moment seines Todes umklammerte und auf dessen Rückseite man ETEMENANKI und
Der letzte
Schlüssel
lesen kann …«
»Exakt. Aufgrund dieser Entdeckung unternahm mein Vater einen
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