Kryptum
bleibt! Ich selbst werde die Druckerei fortführen, notfalls auf Kosten meiner Mitgift.‹
Askenazi wurde blaß. Es hieß, Rebecca Toledanos Mitgift betrage nicht weniger als dreihunderttausend Dukaten, eine Summe, deren sich nur wenige Königinnen rühmen konnten. Von jenem Moment an war klar, daß ich fortan sein Todfeind sein würde, denn es war allgemein bekannt, daß Askenazi um Rebeccas Hand angehalten hatte. Ich versuchte, den Affront herunterzuspielen, indem ich mich erbot, nach der Fertigstellung |119| der Uhr diese instand zu halten. Der Verwalter willigte ein, hütete sich aber wohlweislich, mir seinen Haß zu zeigen. Dazu war er zu schlau. Vielmehr täuschte er vor, mich unter seine Fittiche zu nehmen, um so seine wahren Gefühle nicht zu verraten.
Damals begriff ich, worin seine Macht und sein Einfluß auf die Toledanos und die Handelsgesellschaft bestanden: ohne ihn konnten sie keinen Schritt tun, wollten sie nicht ihren Bankrott riskieren. Aber es war offensichtlich, daß weder Rebecca noch ihr Vater diesen Mann wirklich schätzten, den sie insgeheim den
Deutschen
oder auch den
Blutleeren
nannten, weil er sehr blaß war und eine teigige Haut hatte. Allerdings konnte er auf Doña Esther, Rebeccas Mutter, zählen, eine frömmlerische Matrone, die sehr viel jünger war als ihr Ehemann Don José. Da Askenazi sie mit Geschenken überhäufte, konnte er sie nach Belieben lenken.
Don José und Rebecca waren da ganz anders, sie maßen dem Geld nur geringen Wert bei. Als gute Sephardim betrachteten sie sich als wahrhaft gebildete Menschen von edler Gesinnung. Sprachen sie jedoch von den Juden aus dem Norden, den
Deutschen
oder Aschkenasim, dann nannten sie sie nur ›die da‹. Kam etwa ein sephardisches Mädchen Rebecca besuchen, verkündete ihr Vater: ›Rachel ist da‹, oder wie auch immer sein Name lauten mochte. Wenn es hingegen eine deutschstämmige Jüdin war, sagte er: ›Eine Aschkenase ist gekommen‹, auch wenn er ganz genau wußte, wie sie hieß.
All das machte mir vage Hoffnungen. Schließlich hielt man mich für einen Toledano. Dennoch war mir bewußt, daß ein armer Schlucker und entflohener Sklave, wie ich einer war, niemals um eine derart reiche und schöne Erbin würde anhalten können. Rebecca wußte das auch und schien die Situation sogar zu genießen, obgleich mir später klar wurde, daß sie das nur tat, um meinen Eifer anzustacheln. Alles begann wie ein Spiel, das auf unseren jugendlichen Übermut zurückzuführen war, doch als wir das begriffen, konnten wir schon nicht mehr ohne den anderen leben.
|120| Rebecca hatte eine wunderschöne Stimme. Oft sang sie vor sich hin, wenn sie allein am Webstuhl saß, und mit jedem Vers wuchs das Muster des Wandbehangs oder des Teppichs, an dem sie gerade arbeitete. Vor Publikum sang sie aber nur äußerst selten. Eine dieser Gelegenheiten bot sich an dem Tag, als ein Eilkurier der Taxis eintraf.
Die von ihm überbrachte Nachricht versetzte das ganze Haus in helle Aufregung. Es wurde gemunkelt, daß die Ankunft der zehn Geschworenen unmittelbar bevorstand. Ich fragte mich, wer das wohl sein mochte, vor allem, da man die Dienerschaft hieß, das wertvollste Tafelgeschirr und die beste Tisch- und Bettwäsche hervorzuholen und alles für den Empfang ehrwürdiger Gäste herzurichten. Wir erhielten aber auch die Weisung, in der Öffentlichkeit kein Wort über diese aufwendigen Vorbereitungen zu verlieren, vielmehr sollte alles wie ein großes Familientreffen aussehen.
Einen ganzen Monat lang trafen die Glaubensbrüder aus verschiedenen Städten entlang dem Mittelmeer ein. Obgleich er sein möglichstes tat, daß es nicht auffiel, bemerkte ich doch, wie Askenazi ihnen seine Aufwartung machte. Zuerst dachte ich noch, er selbst habe diese Versammlung einberufen, um die Mitglieder der Handelsgesellschaft zusammenzubringen, deren Gelder er bewegte, stets auf der Suche nach dem besten Angebot. Aber schon bald erkannte ich, daß es sich nicht um Finanzleute handelte. Zudem schienen sie José Toledano wesentlich gewogener zu sein als seinem Verwalter.
Die Geschehnisse machten mich sehr neugierig. Vor allem eins erweckte meine Aufmerksamkeit: das ständige Kommen und Gehen von Don Josés Bruder, Moisés Toledano, und Meltges Rinckauwer, das sich in dieser Zeit auffällig häufte.
Auch dauerte es nicht lange, bis sich einige Freunde aus Konstantinopel – wie unsere Gäste allesamt Sephardim – bei uns einfanden, zu denen im übrigen auch mein geistreicher
Weitere Kostenlose Bücher