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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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neuerlichen Vorstoß bei der NSA. Er bat darum, die Pergamentkeile studieren zu dürfen, die in der Agency aufbewahrt wurden. Und er ersuchte gleichzeitig um Zugang zu dem Programm CA-110. Doch man gewährte ihm weder das eine noch das andere, und so mußte er weiter auf eigene Faust forschen. Bald darauf begann er an diesen Sprachstörungen zu leiden, von denen ich Ihnen erzählt habe; er stammelte genauso, wie es vorhin auf diesem Video vom Papst zu hören war. Nun gut, als das geschah, holten die Toledanos ihn zurück in |136| die Vereinigten Staaten. Kaum erfuhr James Minspert, sein früherer Assistent und Nachfolger bei der NSA, daß mit Pedros Kopf etwas nicht mehr stimmte, bot er sich auch schon an, sich um die ganzen Formalitäten und den Papierkram zu kümmern, damit mein Vater in die Klinik der Agency eingeliefert werden konnte.«
    »Die NSA hat ein eigenes Krankenhaus?«
    »Ja, in Maryland. Eine Spezialklinik. Wenn einer der Mitarbeiter ernsthaft krank wird oder einen Unfall hat, dürfen bei seiner Behandlung weder Narkotika noch Medikamente eingesetzt werden, die seine Geheimhaltungspflicht beeinträchtigen könnten. Die Arbeit nimmt einen so sehr ein, daß die Kryptologie Teil von einem selbst wird. Die ganzen Schlüssel und geheimen Dokumente, mit denen man sich tagein, tagaus beschäftigt, trägt man im Gehirn natürlich mit nach Hause. Man träumt sogar in Chiffren und Codes. Diese Geheimnisse, die ein Kryptologe der NSA im Kopf hat, betreffen die nationale Sicherheit und sind Eigentum der Regierung. Deshalb können sie nicht in irgendeiner x-beliebigen Klinik behandelt werden.«
    »Ich verstehe. Die NSA war also bestens ausgerüstet, um Ihren Vater zu behandeln, und ich vermute mal, sie machten das nicht nur aus reiner Wohltätigkeit.«
    »In der Tat. Ich war damals noch ein Kind und bekam das alles gar nicht richtig mit. Aber jetzt verstehe ich es natürlich, und ich denke, sie versuchten damals, ihm irgendwelches geheimes Wissen zu entlocken. Ob es ihnen gelang oder nicht, weiß keiner. Jedenfalls wurde irgendwann die Behandlung für beendet erklärt. Mein Vater kehrte nach Antigua zurück – besser gesagt, man schickte ihn zurück –, doch richtig geheilt war er nicht, er sprach immer noch komisch. Und nach einiger Zeit verschwand er spurlos. Daraufhin griff mir Minspert unter die Arme und besorgte mir ein Stipendium, um Sprachen studieren zu können, und danach auch eines für die zur NSA gehörende National Cryptologic School. Tja, und dann schlug er mir vor, bei der NSA anzufangen. Nach allem, was |137| er für mich getan hatte, konnte ich natürlich schlecht nein sagen …«
    »Schon klar. Sie fühlten sich moralisch verpflichtet … Entschuldigen Sie, David, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten oder an Ihrer professionellen Begabung zweifeln, aber es wäre doch auch vorstellbar, daß man Sie unter Kontrolle haben wollte für den Fall, daß Ihr Vater Ihnen irgendwelche Geheimnisse anvertraut hatte.«
    »Kann gut sein. Jedenfalls dachte ich damals noch, daß sie sich sehr um meinen Vater gesorgt hatten, was ein Vermögen gekostet haben mußte. Außerdem hatten sie mir eine teure Ausbildung bezahlt. Einen guten Kryptologen auszubilden kostete damals über eine halbe Million Dollar. Ich hatte mich wie mein Vater auf die Sprachen der Gruppe III spezialisiert, die semitischen, vor allem auf Arabisch und Hebräisch. Es gibt nur einen Studiengang, Chinesisch und Japanisch, der noch teurer ist. Asien interessierte mich aber nicht. Die Arbeit meines Vaters zu vollenden reizte mich viel, viel mehr …«
    »Und nachdem Sie diesen ersten Schritt einmal gemacht hatten, wurde es immer schwieriger, den Rückwärtsgang einzulegen.«
    »Mir das ins Gedächtnis zu rufen, darum kümmerte sich schon Minspert … Aber gut, Sie hatten mich eigentlich nach meinen Problemen mit Rachel Toledano gefragt.«
    »In ihrem Brief bringt Sara diese Probleme mit der Agency und James Minspert in Verbindung, und sie schien sehr besorgt deswegen.«
    »Das stimmt. Die Probleme mit Rachel hatten damit zu tun, wie die NSA die Arbeit meines Vaters an diesem Programm CA-110 verwendete, von dem ich Ihnen erzählt habe. Pedro hatte fest daran geglaubt, daß darin seine Zukunft lag, und vielleicht ja auch meine. Für dieses Projekt zu kämpfen war für ihn wie für Sara zu kämpfen, um sie gegen den Willen ihrer autoritären Mutter, Peggy Toledano, doch noch zu bekommen. Ich sah ihn verbissen an diesem Projekt arbeiten, Tag für Tag,

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