Kryptum
gleich zu beschwichtigen.
»Komm, Rachel, laß uns nicht päpstlicher sein als der Papst, erst recht nicht in einer so schwierigen Lage wie dieser … Also … auch wenn Davids Unterschrift nicht im Dossier erscheinen wird, so werden wir ihn doch mit all seinen Fähigkeiten dringend brauchen. Im Grunde ist es so, als erfülle er mit uns gemeinsam diese offizielle Mission.«
David wollte noch etwas hinzufügen und öffnete schon den Mund, da trat ihm der Kommissar heftig gegen das Schienbein, um ihn an sein Versprechen zu erinnern. Zum Glück bekam die junge Frau dieses Manöver nicht mit, da die Füße der Männer unter dem niedrigen Couchtisch verborgen waren.
Nichtsdestotrotz konnte David nicht schweigen.
»Ich bedaure das Verschwinden Ihrer Mutter ebensosehr wie Sie, Ms. Toledano. Und ich werde alles tun, damit wir sie sobald wie möglich finden. Aber falls es Sie tröstet: Sie in Ihrem Haus aufzusuchen war nicht meine Idee.«
Bealfeld schlug fassungslos die Hände vors Gesicht. Mein Gott, wie ungeschickt dieser Junge doch ist! dachte er, er rennt ihr direkt ins offene Messer. In ihrem jetzigen Zustand wird sie gar nicht anders reagieren können, als ihm schnippisch zu antworten. Nur um sich zu schützen und ihm nicht zeigen zu müssen, wieviel Angst sie um ihre Mutter hat.
Und so war es denn auch. Rachel verschränkte die Arme und bot David die Stirn.
»Natürlich! Kommissar Bealfeld hat Sie mit Waffengewalt hergezwungen, nachdem er Sie armes Unschuldslamm zum Raub dieser Dokumente angestiftet hatte.«
|152| »Jetzt hören Sie mir mal gut zu«, erwiderte der Kryptologe verärgert. »Es ist eine Sache, daß Ihre Mutter, die ich sehr schätze, vielleicht in großer Gefahr ist und ich ihr helfen möchte, eine ganz andere aber, ob ich willens bin,
Ihre
Unverschämtheiten zu ertragen.«
»Unverschämtheiten?« rief die junge Frau empört. Ihre Nasenflügel bebten, und ihre Augen blitzten wütend unter den wie zwei Bogen gespannten Brauen. »Sie haben schon einmal in den Papieren
meiner
Familie herumgeschnüffelt, als Sie an diesem Projekt für die National Security Agency arbeiteten.«
David wollte ihr schon etwas entgegenhalten, da brachte ihn ein neuerlicher, unbarmherziger Tritt des Kommissars endlich zur Räson. Gleich darauf setzte Bealfeld sein breitestes Lächeln auf und wandte sich mit ebenso versöhnlichem wie bestimmtem Ton an die junge Frau.
»Ach Rachel, vermutlich ist Mr. Calderón auch nicht besonders stolz auf seine Taten. Jetzt sieht die Sache aber ganz anders aus: Er untersucht diese Papiere schließlich auf Wunsch deiner Mutter, vergiß das nicht. Und dem Brief nach zu urteilen, den ich ihm überbracht habe, ist das nach wie vor ihr Wunsch. Er kennt diese Dokumente am besten. Was aber deine Mutter angeht, so rennt uns die Zeit davon. Wir müssen noch heute in die NSA. Und heute nacht geht von der Andrews Air Force Base unser Flieger nach Spanien. Wenn wir Sara finden wollen, müssen wir uns ranhalten … bevor es dafür zu spät ist.«
Rachel nickte stumm und schluckte. Eine Waffenruhe, die Bealfeld nutzte.
»Auch wenn Mr. Calderón vorhin in der Stiftung nicht auf korrekte Art und Weise vorgegangen ist, bin ich mir doch sicher, daß er seine guten Gründe hatte, so zu handeln.«
Der Kommissar blickte David auffordernd an, damit der seine Worte bestätigte. Der Kryptologe schüttelte jedoch unmerklich den Kopf, weil er nicht noch einmal den gleichen Fehler begehen wollte.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er, »würde ich lieber |153| erst weitersprechen, nachdem Sie Ms. Toledano den Brief ihrer Mutter übergeben haben. Unter Umständen gibt es darin ja neue Anweisungen, nach denen wir uns richten können.«
»Okay«, stimmte Bealfeld zu, während er einen Umschlag aus seiner Aktentasche zog, den er nun Rachel hinhielt.
Die junge Frau griff danach und stand auf.
»Entschuldigen Sie mich einen Moment. Ich möchte ihn lieber allein lesen.«
Sie ging ins Nebenzimmer. Etliche Minuten verstrichen. David Calderón und John Bealfeld nutzten die Zeit, um noch einmal den Brief zu überfliegen, den Sara an den Kryptologen geschrieben hatte. Sie sahen auf, als sie hörten, wie die Tür aufging. Mit gesenktem Kopf kam die junge Frau herein und setzte sich in denselben Sessel wie zuvor. Auch wenn sie bemüht war, sich nichts anmerken zu lassen, sah man doch, daß sie geweint hatte.
David respektierte ihr Schweigen. Vielleicht hatte Bealfeld mit seiner Einschätzung der jungen Frau ja
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