Kryptum
wissen.
»Einen Tag. Höchstens zwei«, versicherte Minspert.
»Wenn wir ohne diese Papiere gehen, werden wir sie nie zu Gesicht bekommen«, warnte David.
»Ich hatte nichts anderes von dir erwartet, Calderón«, brummte James. »Sie müssen jetzt schleunigst los.«
Voller Bestürzung sah David, daß Bealfeld ihm beipflichtete. »Sie haben recht, man erwartet uns«, meinte der Kommissar, |228| warf David, der laut protestieren wollte, einen warnenden Blick zu und schob ihn zum Fahrstuhl. Am Ausgang machte der Sicherheitsbeamte Anstalten, sie zu durchsuchen, aber Minspert hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
»Ich bringe sie zum Wagen.«
Die Gelegenheit nutzte er, um ihnen einige Anweisungen zu geben:
»Wenn Sie sich von Antigua aus mit uns in Verbindung setzen wollen, können Sie das über den Datenhighway der NSA tun.« Er wandte sich an David: »Du weißt ja, wie das funktioniert. Falls der für die Datenübermittlung zuständige Informatiker irgendwelche Zweifel haben sollte, laß es uns wissen. Aber ich glaube nicht, daß es Probleme geben wird. Mit den neuen Datennetzen sind die Codes so einfach zu übertragen, daß selbst ein Kind das schafft.«
»Na ja, ein Kind vielleicht, aber ein Bürokrat? Das bezweifle ich doch sehr«, murrte David, während er ins Auto stieg. Ihn regte die falsche Kameraderie auf, die Minspert jetzt an den Tag legte. Doch der NS A-Agent schien es nicht zu bemerken, ja er setzte sogar noch einen drauf, als er ihm zum Abschied zurief:
»Paß auf dich auf,
Weekly
!«
»Warum nennt er Sie
Weekly
?« wollte der Kommissar verwundert wissen.
»Ach, das hat nichts zu sagen«, versuchte der Kryptologe abzulenken.
»Hat er Ihnen das nicht erzählt?« rief Minspert. »Das war sein Spitzname auf der National Cryptologic School. David arbeitete damals schon in sieben Sprachen, und zur Übung schrieb, sprach und dachte er jeden Tag – vom Aufstehen bis zum Zubettgehen – in einer anderen Sprache: montags in der einen, dienstags in einer anderen und so weiter. Deshalb nannte man ihn
Weekly
«, schloß er, wobei er die letzten Worte fast geschrien hatte, damit sie ihn noch hören konnten, da der Wagen bereits losfuhr.
Im Auto drehte sich Rachel interessiert zu David um.
|229| »Sie sprechen sieben Sprachen?«
»Er kann in sieben Sprachen
eingesetzt
werden«, verdeutlichte der Kommissar.
»Und was heißt das genau?« bohrte Rachel nach.
»Daß er fähig ist, verschlüsselte Nachrichten aus sieben Sprachen zu entschlüsseln«, erklärte Bealfeld.
David verzog das Gesicht und schwieg. Die Agency besucht zu haben schien ihm zu schaffen zu machen, ebenso wie die Erinnerung an die harten Jahre in der National Cryptologic School und die persönlichen Opfer, die diese Arbeit von ihm verlangt hatte. Und alles nur, um dieser enormen Herausforderung gewachsen zu sein, um diejenigen nicht zu enttäuschen, die soviel von ihm erwarteten: die Lehrer, alte Kollegen seines Vaters, die ihn unweigerlich mit diesem verglichen.
Etwas von all dem mußte Rachel wohl erahnen, denn ihre nächste Frage ließ nicht lange auf sich warten.
»Wie kann es sich die NSA erlauben, solch große Fachkenntnisse zu verschmähen?«
»Sie verschmähen sie ja nicht. Natürlich sind sie an meinen Fähigkeiten interessiert. Nur eben nicht an mir.«
Davids Gesicht hatte sich verdüstert, weshalb Rachel nicht mehr nachhaken wollte, als er klagend hinzufügte:
»Ihre Mutter weiß das nur zu gut. Was mich dabei aber vor allem ärgert, ist, daß sie unsere Arbeit einfach weiter verwenden, nachdem sie sie öffentlich heruntergemacht und die Ergebnisse verworfen haben. Fest steht, daß Minspert das Programm CA-110 auf seinen Namen registriert hat, weshalb wir Calderóns ihm im Weg stehen, weil wir den Betrug ja aufdecken könnten. Das alte Lied: erst erschießen sie uns, und danach plündern sie unsere Taschen.«
Als ihr Hubschrauber auf der Andrews Air Force Base landete, stand das Flugzeug schon zum Abflug bereit. Es war eine Transportmaschine C-17, ausgestattet als mobiles Büro. David ließ sich enttäuscht und erschöpft in einen Sitz fallen. Dann drehte er sich zu Rachel und dem Kommissar um.
»Fast hätte ich die fehlenden Dokumente gehabt! Sie waren |230| in der Mappe, auf die ich Sie aufmerksam machen wollte, Bealfeld. Aber als ich mich umdrehte, war sie verschwunden.«
Da merkte der Kryptologe, daß der Kommissar und Rachel verschwörerisch lachten.
»Das finde ich ganz und gar nicht lustig! Was machen wir
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