Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
Bilder gingen ihm durch den Kopf, während er fortwährend nach Luft schnappte. Schöne und traurige Erinnerungen.
Sie werden es schaffen! Sie müssen, sagte er sich immer wieder. Tadeira war eine starke und selbstbewusste Frau, das war sie schon immer gewesen. Während der Grenzkriege hatte sie drei Sonnenwenden in Folge mit den sieben Kindern auch ohne seine Mithilfe überstanden und bestens für die Familie gesorgt.
Es würde hart werden, sehr hart, aber sie würde kämpfen und schuften bis zum Umfallen, wie sie es immer getan hatte, wenn es sein musste. Dessen war er sich beinahe sicher. Ganz bestimmt kommt sie mit den Kindern durch, dachte er. Der Gedanke beruhigte Gwantharab ein wenig und er atmete eine Zeit lang ruhiger.
Wie gerne hätte er noch ein allerletztes Mal Abschied von Tadeira und ihren gemeinsamen Kindern genommen, die ihnen stets so viel Freude bereitet und die sie unter vielen Mühen und Entbehrungen zusammen liebevoll aufgezogen hatten. Worte gingen ihm durch den Sinn, die er ihr und den Kindern unbedingt sagen wollte. Unausgesprochene Worte, die er nun ins dunkle Reich der Schatten mitnehmen musste. Vieles war unerledigt geblieben. Es war nicht mehr zu ändern.
Wie freudestrahlend hätte er sie jetzt in seine Arme genommen und fest an sich gedrückt. Ein letztes Mal nur. Alles hätte er dafür gegeben. Doch es gab nichts, was er jetzt noch hätte geben können. Er war am Ende eines langen, steinigen Weges angelangt. Nein, diesen letzten Wunsch würde ihm der Schatten sicherlich nicht gewähren. Er würde alleine und ohne seine Familie sterben müssen.
Der Lordmaster hatte ihn trotz eigener Verletzungen unter Mühen auf seinen Armen über den Fluss getragen, vorbei an bis zur Morgendämmerung kämpfenden Kriegern in das behelfsmäßig eingerichtete Verwundetenlager der Klan und ihn dort in die Obhut der Orna Elischa übergeben. Elischa hatte nicht mehr viel für ihn tun können. Sie hatte nur traurig den Kopf geschüttelt, als sie seine Verletzungen untersuchte. Es war zu spät. Einen Kräutersaft zur Linderung der Schmerzen und zur Beruhigung hatte sie ihm verabreicht. Das würde ihm zumindest das Sterben erleichtern.
Selbst Sapius wusste keinen Rat. Der Magier hatte lediglich angemerkt, der Tod sei niemals endgültig und die Seele kehre eines Tages wieder zurück. Was immer er damit auch gemeint haben könnte, es spendete Gwantharab und seinen Gefährten im Augenblick des Sterbens keinen Trost.
Madhrab hatte seine Wunden inzwischen versorgen lassen und trat, so schnell er nur konnte, wieder an Gwantharabs Seite, um seinem treuen Freund und Kameraden die letzte Ehre zu erweisen und ihm in den letzten Momenten beizustehen. Gwantharab hatte auf ihn gewartet, dafür hatte er gekämpft, und versuchte nun zu Madhrab zu sprechen. Seine Stimme klang schwach. Madhrab musste sich zu ihm herabbeugen und das Ohr dicht an die Lippen des Kaptans legen, um dessen gehauchte Worte zu verstehen, die immer wieder unterbrochen wurden, während Gwantharab mühsam um Luft rang.
»Den Schatten … habe ihn … gesehen. Mein …«, Gwantharab hustete und spuckte Blut, das ihm rot über die Lippen lief, »… Ende … unausweichlich … schaffe es nicht.« Er tastete mit beiden Händen nach der Hand des Lordmasters und drückte sie, so fest er konnte. »… habe … treu … gedient, Herr. Bitte … Ihr … Familie. Helft. Ich … fürchte … soll Ihnen … gut … gehen.« Wieder unterbrach ein Blutschwall seine an Madhrab persönlich gerichteten Worte und er musste schnell ein- und wieder ausatmen, bevor er weitersprechen konnte. »Die Zwillinge, meine Söhne … nehmt Euch … ihrer … an. Bitte!« Gwantharab sah Madhrab eindringlich an. Die Augen des Kaptan waren müde, blutunterlaufen und von dunklen Rändern umgeben. Der Schatten hatte ihn bereits deutlich gezeichnet. »Sie werden … Euch … treu dienen. Treuer … als … ich … das je vermochte.«
Madhrab sah seinem Freund direkt in die Augen, als er antwortete. »Das kann ich mir nicht vorstellen, mein Freund. Ihr seid der treueste Gefährte, den es geben kann. Eurer Familie wird es an nichts mangeln, Gwantharab. Macht Euch deswegen keine Sorgen. Ich kümmere mich um sie, das zumindest bin ich Euch schuldig, mein Freund.«
»Doch … meine Zwillinge … ich … bitte, sie sind gute … Knaben. Zeigt ihnen … zu kämpfen und … zu überleben, wenn sie … so weit sind. Lehrt sie … als Vorbild … sie brauchen … Euch … Versprecht es«,
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