Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
flehte Gwantharab und drückte die Hand des Lordmasters fester, während er beinahe zu ersticken drohte.
»Ich verspreche es. Sobald sie im richtigen Alter sind, werde ich die beiden in meine Obhut nehmen«, antwortete Madhrab.
»Erlaubt … einen … nur noch einen … letzten … allerletzten … Wunsch«, stammelte Gwantharab.
»Jeden, mein Freund, jeden«, antwortete Madhrab.
»Lasst … lasst … mich nicht hier … nicht bei den Aasfressern … ich bitte … Euch … bringt mich zu … meiner Frau.« Das Sprechen fiel Gwantharab immer schwerer.
»Macht Euch keine Sorgen, ich werde Euch nach Hause bringen«, sagte Madhrab.
»Das ist … gut … Ich … ich … kann … nicht mehr«, erwiderte Gwantharab und ließ die Hand des Lordmasters los.
Madhrab strich seinem treuen, sterbenden Gefährten liebevoll über die Stirn und den Kopf. Der Lordmaster spürte, dass das Ende seines Freundes nun gekommen und der Kampf gegen den Schatten beendet war.
Sie sahen sich ein letztes Mal in die Augen. Madhrab erkannte, wie das Leben langsam aus den Augen seines Freundes wich und sein Feuer des Lebens erlosch.
»Schließt die Augen, mein treuer Freund«, sagte er mit erstickter Stimme. »Quält Euch nicht länger. Es wird alles gut werden. Lasst los … lasst einfach los. Lasst los, Gwantharab, und fürchtet Euch nicht.«
Gwantharab schloss die Augen mit einem Seufzer der Erleichterung. Atmete noch dreimal ein und wieder aus, bevor ihn der Schatten mit sich nahm. Seine Gesichtszüge nahmen einen friedlichen Ausdruck an, nachdem er seinen letzten Atemzug getan und sein Geist den Körper verlassen hatte.
Der Kaptan lag nun ruhig auf seinem Lager und sah aus, als ob er schlief. Er war tot.
»Ihr werdet mir fehlen, mein Freund, sehr sogar«, sagte Madhrab, räusperte sich und faltete die noch warmen Hände Gwantharabs auf dessen Brustkorb.
Langsam, ganz langsam stand der Lordmaster auf, betrachtete seinen friedlich schlafenden Freund für eine lange Weile schweigend und deckte ihn schließlich mit einem frischen Leinentuch vollständig zu.
»Ich bin so müde. So schrecklich müde«, sagte Madhrab zu sich selbst.
Der Lordmaster schleppte sich schweren Schrittes und mit gesenktem Haupt zu den wartenden Gefährten, um sie von Gwantharabs Tod zu unterrichten. Sie würden seinen Leichnam mitnehmen und ihn nach Hause zu seiner Familie bringen. Das waren sie ihm schuldig. Viele Opfer jedoch mussten an den Ufern des Rayhin bleiben und ihre letzte Ruhestätte auf dem Schlachtfeld finden, bis ihre Gebeine eines Tages zerfielen und sich niemand mehr an ihren verzweifelten Kampf erinnern würde. Die Ufer des Rayhin am Tareinakorach bildeten ihr namenloses Grab.
Wie durch ein Wunder war Renlasol als einer der wenigen Kämpfer in der Schlacht unverletzt geblieben. Nicht einen einzigen Kratzer hatte der Knappe abbekommen. Renlasol selbst hatte dies erst bemerkt, als er die vielen Verwundeten im Lager gesehen hatte, und sich über sein Glück gewundert. Er hatte überlebt und sich wacker im Kampf geschlagen. Die Erlebnisse der Schlacht hatten ihn altern lassen. Renlasol fühlte sich erwachsen.
In den frühen Morgenstunden, nachdem die Schlacht zu Ende gegangen war, hatte er sich in sein Zelt zurückgezogen und packte nun seine wenigen Habseligkeiten zusammen. Sie würden nicht mehr lange im Lager am Rayhin verweilen. Das wusste er. Er kannte den Lordmaster mittlerweile. Sobald die Verletzten für den Transport fertig waren, würden sie das Lager abbrechen, das Heer auflösen und mit den übrigen Sonnenreitern zum Haus des hohen Vaters aufbrechen. Die überlebenden Kriegerinnen und Krieger würden in ihre Heimatdörfer und Städte zurückkehren, soweit diese noch standen. Viele von ihnen hatten einen sehr langen Weg vor sich und würden, falls sie aus den südlichen Klanlanden oder aus Eisbergen stammten, lediglich Tod und Zerstörung vorfinden. Ihre Familien waren womöglich in alle Winde zerstreut oder von den Rachuren versklavt worden. Sie hatten eine schwere Aufgabe vor sich.
Renlasol wollte mit dem Packen fertig sein, bevor der Befehl zum Aufbruch käme. Immerhin würde er dem Lordmaster zur Hand gehen müssen und nur wenig Zeit für seine eigenen Sachen haben, wenn es so weit war. Der Knappe besaß außer der Kleidung, die er am Leib trug, nicht viel, was er einpacken musste. Eine warme Decke aus Schafswolle, zwei Felle, etwas Wäsche, ein weiteres Paar Stiefel und zwei Paar Wollsocken – was er zu Recht als Luxus
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