Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
vergangenen fünftausend Sonnenwenden nur sehr schwach spürbar war. Die Magie auf Ell war mit der Verbannung und schließlich mit dem rätselhaften Verschwinden des verlorenen Volkes, der Nno-bei-Maja, vor knapp viertausend Sonnenwenden ebenfalls zum großen Teil verloren gegangen. Nur wenige Auserwählte haben seit damals noch einen Zugang zu den Saijkalrae und ihren schlummernden Kräften gefunden.« Sapius räusperte sich und wartete auf eine Reaktion Elischas. Ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Sie saß regungslos da, verzog keine Miene und hörte ihm interessiert zu, wenngleich sie seine Ausführungen und Meinung über die Klan möglicherweise überhaupt nicht teilen mochte.
»Nun ... wie ich schon sagte, ich bin ein Saijkalsan und diene in einem gewissen Maße den Saijkalrae. Ich glaube an ihre Macht und mache mir diese von Zeit zu Zeit zunutze. Deshalb mag Euch meine Erzählung vielleicht seltsam vorkommen. Das Erwachen der Brüder würde meine Fähigkeiten durchaus erweitern und darüber hinaus meine Kräfte stärken. Verlockend, wohl, das gebe ich zu. Dennoch, ich strebe nicht nach der Vollendung von Macht oder vollkommener Beherrschung. Würde einer der Brüder vollständig erwachen und wären seine Kräfte endgültig entfesselt, gäbe es keine Kontrolle mehr. Anzunehmen, ich besäße dann noch große Macht, wäre ohnehin nur eine trügerische Illusion. Der dunkle Hirte würde sich alle Saijkalsan sofort unterwerfen und zu willenlosen Sklaven seiner Zwecke machen. Das darf nicht geschehen. Das Gleichgewicht muss gewahrt werden. Wenngleich ich nicht verschweigen will, dass es eine gewisse Verschiebung in die eine oder andere Richtung immer wieder gegeben hat. Sie ist vertretbar und hätte keine allzu schrecklichen Auswirkungen. Es gibt genügend Stufen dazwischen, mit denen wir alle gut leben können. Kein sterbliches Wesen ist nur weiß oder schwarz. Die Grautöne und Nuancen dazwischen machen es erst interessant. Schließlich gibt es kein Licht ohne Schatten, keinen Tag ohne Nacht, kein Leben ohne Tod, kein Gut ohne Böse.
Doch eine unkontrollierte Verschiebung hätte nur grenzenloses Chaos zur Folge. Ich muss deshalb verhindern, dass der dunkle Hirte ganz erwacht und seine Kräfte vollends entfalten kann. Sollte mir das nicht gelingen, gibt es nur einen möglichen Weg: Dann muss ich oder ein anderer Saijkalsan den weißen Schäfer wecken. Dafür müsste der dunkle Hirte bezwungen werden. Nur ... ich habe leider nicht die geringste Ahnung, wie das bewerkstelligt werden könnte. Die Zeit drängt und sie spielt im Moment nicht unbedingt für uns. Am Rayhin-Fluss stehen sich die beiden größten feindlichen Heere, die es je gegeben hat, in einer vielleicht alles entscheidenden Schlacht gegenüber. Eine Schlacht diesen Ausmaßes fordert viele tausend Opfer und das Blut fließt in Strömen. Das Blut und die Seelen der Gefallenen stärken den dunklen Hirten. Seine vollständige Erweckung und die Entfesselung seiner Macht könnte das Ergebnis sein. Es gibt jedoch noch einen Funken Hoffnung. An der Spitze des Klanheeres steht ein talentierter Befehlshaber, Madhrab. Ein Held wider Willen zwar, aber ein Held, wie ihn Ell seit über fünftausend Sonnenwenden nicht mehr gesehen hat. Ein Krieger, ein Stratege und ein begnadeter Bewahrer dazu. Madhrab könnte tatsächlich das Unmögliche erreichen. Er könnte die Rachuren zurücktreiben, das Blutvergießen beenden und das Land endlich wieder befrieden. Ihn muss ich unbedingt vor der Schlacht sprechen und von meinen Plänen überzeugen. Außerdem könnte ich seine Hilfe gegen den dunklen Hirten und zur Wiederherstellung des Gleichgewichts gut brauchen. Saijkalsan Quadalkar ist der Einzige, der weiß, wie der dunkle Hirte bezwungen werden kann und was dafür vonnöten ist. Es ist ihm schon einmal gelungen. Er kennt den wahren Zugang zu den Saijkalrae, er kennt die verborgenen Pfade und weiß womöglich, wo die Schlüssel liegen. Ich selbst darf Quadalkar nicht aufsuchen und ihn um Hilfe bitten, sonst hätte ich es längst getan. Der Grund dafür liegt weit in unserer Vergangenheit, doch das ist eine lange Geschichte und ich kann Euch jetzt nicht alles erzählen, das würde zu weit führen. Ihr müsst mir einfach glauben. Nur ein erfahrener Bewahrer kann es wagen, sich in die Nähe eines Bluttrinkers zu begeben, und darauf hoffen, unversehrt wieder zurückzukommen. Aber auch er müsste ein Opfer bringen. Jeder andere wäre rettungslos verloren oder würde sich
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