Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
aufzusuchen, wie wir beobachtet haben. Ihr fürchtet Euch vor der Zeit des Erwachens des dunklen Hirten. Ihr fürchtet Euch zu Recht, so viel können wir Euch sagen. Doch Eure Motive hierfür sind fehlgeleitet, denn Ihr glaubt, Ihr könntet den dunklen Hirten nicht aufhalten und nur das Erwachen des weißen Schäfers könnte die Welt noch vor der Zerstörung durch den Zorn des dunklen Bruders retten und dadurch das Gleichgewicht wahren. O Sapius«, seufzte der Wanderer, »wenn Ihr nur wüsstet, welch schrecklichem Irrtum Ihr aufliegt. Die Saijkalrae sind eins, das waren sie von jeher. Der dunkle Hirte kann ohne den weißen Schäfer nicht sein und umgekehrt. Egal, welchen der Brüder Ihr unterstützt, Ihr unterstützt immer die Saijkalrae«, fuhr der Wanderer fort, »Ihr versucht das Richtige zu tun und tut doch das Falsche. Das ist nicht gut und führt Euch über kurz oder lang ins Verderben. Lasst mich Euch ein Beispiel geben: Eure Abscheu gegen die Klan ist das Ergebnis Eurer überheblichen Arroganz, die Ihr Euch zu unserem Bedauern angeeignet habt. Es ist die Arroganz der Saijkalrae oder die eines Saijkalsan, die Euch blendet und Euch glauben macht, die Klan wären einfältige und grobschlächtige Lebewesen, zu nichts Nutze und mit einem Leben, weit weniger wert als das Eure oder das eines Saijkalsan. Habt Ihr Euch denn nie gefragt, warum die Klan vor Tausenden von Sonnenwenden die Saijkalsan verfolgt und getötet haben? Das war Unrecht, fürwahr. Die Klan haben die Inquisition nicht aus Dummheit oder etwa aus Angst eingeführt. Die Saijkalsan bestimmten damals ihr Leben, beherrschten alles und jeden, und das nur selten zum Guten. Sie behandelten die Klan wie Vieh, das es zu mästen und beizeiten auszunehmen galt. Gebt Euren Weg mit den Saijkalrae auf. Es gibt für Euch dort keine angemessene Zukunft. Befreit Euren Geist von den Schranken, die sie Euch auferlegt haben.«
Sapius war entsetzt über die Worte des Wanderers und konnte es nicht verbergen. Sein ganzes Leben hatte er den Saijkalrae gewidmet, hatte ihnen treu gedient, Opfer gebracht und Schmerzen erlitten. Die Entbehrungen, die er auf sich genommen hatte, waren manchmal schwer zu ertragen gewesen. Die Last seiner Bürde drückte schwer auf ihn und dennoch liebte er die Saijkalrae von ganzem Herzen. Sie erfüllten sein Innerstes. Ohne sie wäre er leer und die Kälte würde in seine Gedanken kriechen und sein Herz zu Eis erstarren lassen. Er war zutiefst davon überzeugt, dass sie der einzig richtige Weg für ihn waren. Es hatte nie etwas anderes gegeben, seit er denken konnte.
»Wir sehen, wir konnten Euch noch nicht überzeugen, Ihr zweifelt an unseren weisen Worten«, sagte der Wanderer mit einem Seufzer der Enttäuschung. »Das ist bedauerlich, aber in gewisser Weise verstehen wir Eure Haltung sogar. Zu lange schon habt Ihr den Brüdern treu gedient.« Der Wanderer machte eine längere Pause. »Dann lasst mich Euch etwas erzählen, was Ihr nicht in den Schriften und Büchern dieser Welt finden werdet. Habt Ihr bei Euren Studien etwas über die Gezeichneten gelesen?«
Sapius nickte. Er hatte in einer uralten Schrift zwar den Namen gesehen, hatte aber mangels weiterführender Erklärungen und Verweise nichts damit anfangen können.
Der Wanderer lehnte sich wieder zurück und begann Sapius die Geschichte über die Anfänge der Saijkalrae zu erzählen: Noch lange bevor das Volk der Nno-bei-Maja vom Antlitz des Kontinents Ell verschwunden war, und lange bevor die Existenz der Rachuren in den Klanlanden bekannt wurde, herrschte auf Ell ein Großhexer namens Ulljan. Allerdings nicht wie ein König, der seine Untertanen regierte. Eher wie ein weiser und besonnener Mann, der keinen Herrschaftsanspruch für sich selbst anmeldete, der aber bis in die obersten Adelsschichten und von den Fürsten der Klanlande respektiert und hoch anerkannt wurde. Sein Einfluss war überragend. Sein Wort galt. Die Klan folgten ihm. Die Magie umgab ihn überall. Er war charismatisch, er brauchte keine Diener und keine Krieger, die sich für ihn aufopferten. Ulljan war überaus mächtig zu jener Zeit.
Er beherrschte die seltene Kunst der Magie in jede nur erdenkliche Richtung wie kein anderer unter seinesgleichen. Er beherrschte gleichzeitig die Zeit, das Leben und den Tod, konnte selbst Verstorbene nach längerer Zeit ins Leben zurückholen. Seine Taten waren legendär. Die Völker von Ell liebten und fürchteten ihn zugleich. Ulljan war der Letzte der Gezeichneten, ein
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