Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
Rande des Dorfes gehängt. Zur Abschreckung blieb er dort hängen, bis sein Fleisch verfault war und die Krähen den letzten Fetzen von den Knochen gepickt hatten.
Ulljan beschloss, sich der beiden Kinder anzunehmen. Die Zwillingsbrüder sollten nach seinem Plan eines Tages sein Erbe antreten und noch war Zeit, sie ausreichend auszubilden. Es gab außer ihm keinen Gezeichneten mehr. Ulljan selbst hatte keine Kinder. Gemeinsam konnten die Brüder die Macht eines Lesvaraq vielleicht meistern und damit das Gleichgewicht wahren. Die Voraussetzungen waren jedenfalls ideal. Er hatte von dem ungewöhnlichen Fall gehört und wollte sich die Kinder nun mit eigenen Augen ansehen. Die beiden waren etwas Besonderes, auch wenn sie keine Zeichnung der Macht aufwiesen. In ihnen steckte ein schier unerschöpfliches Potenzial an Möglichkeiten und Talenten, wie es der Hexer auf den ersten Blick erkannt hatte. Und so wuchsen die ungleichen Zwillingsbrüder Saijkal und Saijrae schließlich unter der großzügigen Obhut des Ulljan in dessen Haus auf. Doch die beiden standen schon seit ihrer Geburt und dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter unter keinem guten Stern. Ulljan hatte diese Tatsache angesichts des großen magischen Potenzials von Saijkal und Saijrae unvorsichtigerweise einfach verdrängt.
Begierig nahmen die Brüder das Wissen auf, das Ulljan ihnen gab. Anfangs zeigten sie sich gelehrig und folgten seinen Anweisungen und Ratschlägen. Sie wurden stärker und lernten schnell immer mehr dazu. Ulljan sah sich dadurch in seinem Plan bestärkt und schon bald am Ziel seiner Träume. Als sie älter wurden, zeigten sie sich jedoch zunehmend aufmüpfig und respektlos. Sie erkannten, dass der Gezeichnete etwas besaß, was sie niemals haben würden. Sie konnten sich bemühen, so sehr sie wollten, seine Stärke und Macht würden sie niemals erreichen können. Weder alleine noch gemeinsam. Wenn überhaupt, dann konnten sie Ulljan jedoch nur gemeinsam übertrumpfen. Diese Erkenntnis frustrierte sie, denn jeder der beiden hatte sich das höchst ehrgeizige Ziel gesetzt, Ulljan allein noch zu Lebzeiten zu übertreffen. Nun standen sie knapp davor, an ihren zu hoch gesetzten Ziele zu scheitern. Ihr Unmut wuchs mit jedem weiteren Tag, an dem Ulljan ihnen Lektionen beibrachte. Die Brüder wurden immer unzufriedener. Der Neid fraß sich unaufhörlich in ihre Gedanken. Letzten Endes wurde aus einem anfänglichen Groll tiefer Hass.
Ulljan entging der Sinneswandel seiner Schüler nicht. Er bemerkte, dass etwas nicht stimmte, wurde skeptisch und stellte sie sogar zur Rede, aber die Brüder taten so, als sei alles in bester Ordnung. Ulljan glaubte ihnen nicht, denn seine Sinne waren fein ausgebildet. Seine Vorahnungen waren dunkel und so traf er sicherheitshalber und unbemerkt von den Brüdern Vorkehrungen. In Ulljans Besitz befand sich ein Buch, das nur ein Gezeichneter besitzen und gebrauchen konnte. Sein Titel war gleichbedeutend mit dem Untergang der Welt. Dieses Wort durfte im Zusammenhang mit einem Zauber keinesfalls offen ausgesprochen werden. Zu verheerend hätte die Wirkung sein können. Das Buch trug den merkwürdigen Titel »Rucknawzor«. Die Brüder vermuteten, dass das Geheimnis von Ulljans unermesslicher Macht in diesem Buch stecken musste. Er hatte stets versucht, es vor ihren gierigen Augen zu verbergen. Sie hätten es sicher nicht benutzen können und selbst »Rucknawzor« wäre, von ihren Lippen gesprochen, ohne Wirkung geblieben, aber das Buch selbst war viel zu wertvoll. Es hätte den Brüdern schweren Schaden zugefügt und anderen unschuldigen Wesen nur Leid und Elend gebracht. Deshalb begab sich Ulljan auf Reisen. Unbemerkt schaffte er das Buch aus dem Haus und brachte es dorthin zurück, wo er es einst erlangt hatte, zu den Wächtern des Buches im ewigen Eis. Dort würden die Brüder es niemals finden können. Für die Brüder war es für immer verloren.
Während der längeren Abwesenheit Ulljans beschlossen Saijkal und Saijrae, ihn seiner Macht zu berauben, und schmiedeten zu diesem Zweck gemeinsam einen schrecklichen Plan. Sie glaubten, endlich einen Weg gefunden zu haben, sich sein Wissen vollständig und ganz und gar für sich selbst anzueignen. Dazu mussten sie ihn vernichten. Nichts durfte von ihm übrig bleiben, sein Geist, sein Körper und seine Seele mussten zerstört und sein Andenken musste für immer getilgt werden.
Als Ulljan wieder in seinem Haus war, veranstalteten die Brüder ein gemeinsames Festessen. Sie gaben
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