Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
stapelte Holzklötze zu einem großen Turm. Sobald er zwanzig übereinandergestapelt hatte, fiel der Turm in sich zusammen und der Maiko-Naiki freute sich. Sofort begann er mit schier grenzenloser Geduld und großem Vergnügen wieder von vorne.
»Ihr Geist ist verwirrt. Sie hat sich zum Schutz in den hintersten Winkel ihrer selbst zurückgezogen, sich dabei hoffnungslos verirrt und sitzt nun in der Dunkelheit ihrer eigenen Gedanken fest. Jemand muss ihr einen Ausweg zeigen und sie ans Licht führen. Sonst ist sie verloren«, sagte Metaha nachdenklich.
»Wie sollen wir zu ihr vordringen und ihren Geist öffnen?«, fragte Baijosto.
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Metaha. »Ich könnte wohl mühelos in ihre Gedanken eindringen. Aber das wäre ein Akt der Gewalt und ich bin mir nicht sicher, ob es ihre Lage nicht verschlimmern würde.«
»Vielleicht weiß der Magier Sapius einen Rat«, schlug Taderijmon vor, »wir könnten ihn hereinbitten. Sapius wartet vor der Tür. Er kennt zumindest ihren Namen und weiß, was ihr zugestoßen ist.«
»Eine gute Idee«, unterstützte Baijosto seinen Bruder.
»Ihr beiden scheint dem Fremden ja geradezu arglos zu vertrauen«, erwiderte Metaha. »Wie kommt das? Ihr kennt ihn nicht.«
»Ich glaube, er spricht die Wahrheit«, antwortete Taderijmon und grübelte gleichzeitig über Metahas Bemerkung nach.
»Er besitzt eine starke Aura der Macht«, ergänzte Baijosto.
»Dummköpfe … alle beide«, schalt Metaha die Brüder, »nur weil ihr seine Magie fühlen konntet, wollt ihr ihm blind vertrauen. Und ich dachte, ich wäre die einzige Blinde in der Siedlung. Mächtige Aura? Pah! Der dunkle Hirte besitzt auch eine magische Ausstrahlung, und es wäre fatal, seinem Lügenmaul zu vertrauen.«
»Aber … er befindet sich auf der Flucht vor den Häschern des dunklen Hirten«, rechtfertigte Baijosto seinen Einwurf.
»Sagt wer?«, fragte Metaha ungläubig nach.
»Nun … Sapius eben«, antwortete Baijosto kleinlaut.
Metaha konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Wie naiv die ansonsten so klugen und starken Brüder doch manchmal sein konnten. »Nun holt diesen Sapius schon rein«, befahl sie schmunzelnd, »ich will ihn mir erst ansehen, bevor ich ihn auf dieses arme Mädchen los- und euren schmutzigen Händen überlasse.«
Taderijmon öffnete die Tür zu Metahas Behausung und bat Sapius herein.
Sapius erblickte die Naiki und zögerte einen Augenblick, bevor er seinen Fuß ganz über die Türschwelle setzte und den anderen langsam nachzog. Auf den ersten Blick erkannte er, dass Metaha eine außergewöhnliche Naikihexe war. Die mit Blindheit geschlagene Frau musste bereits uralt sein, wahrscheinlich weit älter als er selbst. Ihre immense Kraft bezog sie aus der freien Magie der sie ständig umgebenden Natur. Sie besaß ein einnehmendes Wesen und ein schier grenzenloses Wissen, das sich ihm geradezu aufdrängte. Ihr Geist streifte den seinen. Sie versuchte in seine Gedanken vorzudringen und ihn auszuspähen. Sapius hatte ihre Gegenwart in seinem Kopf sofort wahrgenommen, nachdem er die Behausung betreten hatte. Es war schwer, sie zurückzuhalten und seine Gedanken vor ihr abzuschirmen. Nach einer Weile zog sie sich aus seinem Kopf zurück und lächelte geheimnisvoll. Sapius hatte das unangenehme Gefühl, als ob sie ihn mit ihren blinden Augen musterte und in der Lage wäre, in sein Innerstes vorzudringen.
»Mein Name ist Metaha«, stellte sie sich Sapius vor. »Ich bin eine sehr alte Naiki, wie Ihr unschwer erkennen könnt. Manchmal sehe ich in die Zukunft und manchmal ziehe ich Schlüsse aus den Schatten der Vergangenheit. Ich sehe viel, mehr als manch anderer vielleicht. Ihr seid ein freier Magier, das fühle ich. Die Magie in Euch ist stark. Aber Ihr seid es noch nicht lange. Jedenfalls seid Ihr im Umgang mit der freien Magie noch nicht so vertraut, wie ich oder wie es einst die Lesvaraq waren. Dennoch, Euer Schicksal scheint mit dem unseres Volkes und dem der jungen Frau auf seltsame Weise verbunden. So viel kann ich erkennen. Was führt Euch zu uns?«
»Verzeiht meine Unhöflichkeit«, antwortete Sapius, »ich hätte mich Euch vorstellen sollen. Sapius werde ich genannt. Ich stamme von den Tartyk ab und trage das alte Blut der Altvorderen genau wie die Naiki in mir. Ihr hattet recht mit der Annahme, ich sei ein freier Magier. Bis vor Kurzem diente ich als Saijkalsan den Saijkalrae, bis ich mich von ihnen abwandte und seitdem frei und unabhängig durch die Lande ziehe.
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