Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
sich. Wir müssen uns beeilen, bevor es zu spät ist, Sapius.«
»Verschwinde!«, polterte Sapius den Geist an und versuchte ihn mit fuchtelnden Händen zu vertreiben.
»Lasst doch den Unsinn, Sapius. Er wird nicht auf Euch hören, geschweige denn Euch überhaupt bemerken. Wir sind nicht wirklich hier. Er ist nicht wirklich hier. Es sind Solras’ Gedanken, in denen wir uns bewegen. Sein Geist kam nur, um sie zu holen, weil sie es zuließ«, sagte Metaha.
Sie gingen weiter durch die Kindheits- und Jugenderinnerungen von Solras. Sie erspähten Geheimnisse, die nicht für Fremde bestimmt waren. Gute wie schlechte. Solras rannte durch den Wald. Sie war alleine und verzweifelt. Die junge Frau wurde gehetzt. Eine Gruppe Rachuren stürzte sich auf sie und nahm sie gefangen. Sapius spürte die entsetzliche Angst am eigenen Leib, als Solras in das Zelt von Grimmgour gebracht wurde. Aber er fühlte auch, dass sie mit ihrem Leben bereits abgeschlossen hatte. Die Erinnerungen an die furchtbaren Ereignisse schienen nicht mehr wichtig zu sein. Unwichtig waren auch die Demütigungen, die sie hatte erdulden müssen. Doch der Tod ihres geliebten Zyagral, als brennende Fackel am Spieß der Rachuren, hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt und sie an den Rand des Wahnsinns gebracht. Purer Hass schlug ihnen entgegen und schnürte ihnen wie mit eiskalten Händen den Hals zu. Sapius griff sich an die Kehle und rang nach Luft. Er glaubte gleich ersticken zu müssen.
»Schüttelt das Gefühl einfach ab«, rief Metaha dem Magier zu, »es ist nur ein böser Gedanke einer verstörten Seele.«
»Zyagral? Bist du das?«, hörten Sapius und Metaha eine ängstliche Frauenstimme aus einiger Entfernung sagen.
»Das ist sie«, meinte Sapius krächzend, sichtlich bemüht, den hässlichen Gedanken der Späherin loszuwerden.
»Tatsächlich? Da habt Ihr aber gut aufgepasst, Sapius«, antwortete Metaha mit leichtem Spott in der Stimme und klopfte ihm dabei aufmunternd auf die Schulter.
Sie orientierten sich in Richtung der Stimme und fanden die nackte Frau hilflos auf dem Grund einer tiefen Grube sitzend. Sie hatte sich in eine Ecke gekauert und die Arme um die Knie geschlungen.
»Wie kommen wir da hinunter? Es sieht sehr tief aus«, fragte Sapius.
»Gar nicht«, antwortete Metaha, »wozu sollte das auch gut sein? Denkt nach und strengt Eure Fantasie an. Ich sagte Euch doch, dass wir nicht hier sind. Nicht körperlich jedenfalls. Wir haben sie gefunden, weil sie es zuließ und unsere Hilfe wollte.«
»Aber …«, versuchte Sapius erfolglos einzuwenden.
»Kein Aber , Sapius«, unterbrach ihn Metaha schon im Ansatz, »wir müssen sie nur irgendwie erreichen. Wenn sie uns entdeckt, wird sie hoffentlich mitkommen und dadurch der Finsternis ihres eigenen Ichs und den Schatten entrinnen.«
Metaha kniete sich an den Rand der Grube, beugte ihren Kopf über die Kante und blickte zu Solras in die Dunkelheit hinab. Sapius tat es ihr gleich, legte sich daneben hin und spähte über den Rand der tiefen Grube. Er konnte nichts sehen.
»Könnt Ihr sie erkennen? Ist sie da unten? Ich dachte, Ihr wärt blind«, meinte Sapius.
»Wäre es möglich, dass Ihr für einen Magier mitunter schwer von Begriff seid? Meine Augen mögen schon vor langer Zeit erblindet sein, nicht aber mein Geist. Ich kann sehen, was Ihr seht, und noch anderes darüber hinaus. Es gibt weit mehr in dieser Welt als das, was Ihr mit Euren Augen zu sehen oder mit den Ohren zu hören glaubt. Natürlich ist sie da unten«, entgegnete Metaha entnervt.
»Schon gut«, erwiderte Sapius, »ich mache das nicht jeden Tag und es fällt mir schwer, mich im Kopf einer jungen Klanfrau zurechtzufinden.«
»Unsinn … es wird Euch hoffentlich nicht schaden, die Frauen auf diese Weise ein klein wenig besser verstehen zu lernen. Leuchtet mit Eurem Stab hinab, Sapius«, wies Metaha den Magier an, »sie wird das Licht erkennen und ihm folgen. Zeigt ihr den Weg hinaus.«
Sapius streckte den Stab aus dem Holz des Farghlafat weit über den Rand der Grube und leuchtete hinab in das Dunkel. Tief unten auf dem Grund saß Solras. Ihre Augen waren vor Erstaunen weit aufgerissen, als sie das helle Licht erblickte. Sie erhob sich und kletterte mühelos wie eine Spinne die Wand hinauf, bis sie Sapius und Metaha erreicht hatte.
»Folge mir«, sagte Sapius mit belegter Stimme und nahm die verstörte Frau an die Hand.
Kaum hatte er ihre Hand ergriffen, stand er auch schon außerhalb ihrer Gedankenwelt in Metahas Hütte
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