Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
dass sie eine Orna war. Der Kaptan wusste bestimmt, was er tat. Die Flucht im Schutz eines Reitertrupps unter der Führung eines Kaptans war am wenigsten auffällig. Sie musste ihm vertrauen und seinen Befehlen Folge leisten, wenn sie den Plan nicht gefährden wollte. Schließlich war er ein guter Freund Madhrabs und würde ihn nicht im Stich lassen oder verraten, wie andere dies zuletzt getan hatten.
Wo bist du, Madhrab?, dachte Elischa.
Am eisernen Tor des inneren Walls angelangt streckte Brairac den Arm mit geballter Faust nach oben. Das war das Zeichen, dass der Reitertrupp anhalten musste. Ein Bewahrer stand vor dem Tor. Es war Master Lamijar, der zu den betagteren Bewahrern im Orden der Sonnenreiter gehörte und bald zu den Letztgängern wechseln sollte. Die ihm anvertraute Orna war in der vergangenen Sonnenwende zu den Schatten gegangen.
»Ihr seid früh unterwegs heute, Sonnenreiter«, bemerkte Master Lamijar.
»Und Eure Wacht geht bald zu Ende. Ich grüße Euch, Master«, sagte Brairac.
»Ein wahres Wort, Kaptan Brairac. In jeder Hinsicht«, grinste der Master. »Sagt an, was wollt Ihr so früh vor den Wällen?«, hakte Lamijar nach. »Ich hatte vor Sonnenaufgang keinen Trupp auf dem Plan und schon gar keinen mit acht Reitern.«
»Wir wollen uns ein eigenes Bild von der Not in den Klanlanden machen. Ein weiter Tagesritt wird uns Aufschluss über die Lage geben, damit wir unsere Hilfe planen können. Wir dachten, je früher wir aufbrechen, desto eher kämen wir wieder zurück. Es soll zu Unruhen gekommen sein in den Klanlanden, die Seuche hat Städte und Dörfer leer gefegt. Wir müssen handeln, wenn wir das Land vor einer schweren Not bewahren wollen«, antwortete Brairac.
»Das ist wohl wahr. Habt Ihr Eure Tropfen gegen die Geißel der Schatten genommen?«, fragte der Master. »Es wäre fatal, wenn Ihr die Seuche in die Mauern tragt. Die Heilmittel reichen nicht für alle von uns, und das Vieh könnte sich anstecken.«
»Selbstverständlich«, antwortete Brairac, »ich nähme keinen der mir anvertrauten Sonnenreiter mit vor die Wälle, wenn dem nicht so wäre. Seid so gut und öffnet das Tor für uns. Lasst Ihr die Zugbrücke runter?«
»Nun gut«, sagte Lamijar, »reitet mit den Kojos und macht einen weiten Bogen um die Kranken. Es ist Sache der Orna und Heiler, sich um die Seuchenopfer zu kümmern.«
»Aye«, erwiderte Brairac, »ich danke Euch.«
Der Bewahrer schloss das eiserne Tor auf und gab Zeichen, die Zugbrücke herunterzulassen. Elischa zitterte am ganzen Leib, als sie ihr Pferd an dem Master vorbei durch das Tor auf die Brücke lenkte und langsam in Richtung des mittleren Walles ritt.
Als sie sich ein allerletztes Mal auf dem Rücken ihres Pferdes umdrehte, um zurückzublicken, sah sie hinter dem Bewahrer überraschend eine groß gewachsene Gestalt aus der Dunkelheit auftauchen. Er hatte die Statur Madhrabs. Durch den Helm war ihr Blickfeld eingeschränkt, sodass sie nicht genau erkennen konnte, wer sich lautlos an Lamijar herangeschlichen hatte und ihnen gefolgt war.
Madhrab? Endlich, dachte sie, nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte.
Dunkel verhüllt und mit einem langen Dolch in den Händen, der gefährlich aufblitzte, richtete sich die Gestalt zu voller Größe auf und sprang, noch während der Bewahrer den Reitertrupp bei der Überquerung der Zugbrücke beobachtete, in den Rücken des Masters. Der Angreifer zog Lamijar den Dolch durch den Hals. Es ging alles sehr schnell.
Der Bewahrer gab keinen Laut von sich, sank tödlich verwundet auf die Knie, während sein Kopf nach hinten klappte und eine klaffende Wunde offenbarte, aus der das Blut im langsamer werdenden Rhythmus seines Herzens pulsierend sickerte.
Bei allen Kojos , Elischa wurde von einem schrecklichen Gefühl ergriffen, das sie in Panik versetzte, er hat einen Bewahrer kaltblütig getötet. Ein heimtückischer Brudermord. Auf diese Weise starb die heilige Mutter. Was hast du nur getan, Madhrab? Wozu bist du fähig?
Der Attentäter schlich geduckt durch das Tor und folgte dem Reitertrupp, lediglich von Elischa aus dem Augenwinkel wahrgenommen, rasch auf die Brücke. Er blieb jedoch nicht auf der Brücke stehen, sondern kletterte unter die Stützbalken und hangelte sich auf die andere Seite.
Elischa wandte sich schaudernd ab und schwieg. Was hatten sie aus dem Lordmaster gemacht, nachdem sie ihn in den Kerker gesperrt hatten? War er der Mörder von Lordmaster Kaysahan, der heiligen Mutter und Lamijar?
War
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