Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Renlasols Augen schnitt sich Quadalkar mit einem Messer ins Handgelenk und ließ das Blut der Ahnen in einer ihm gereichten durchscheinenden Schale auffangen. Dickflüssig und schwarz war es.
Auf diesen Moment hatte Yabara gewartet. Als die ersten Blutstropfen in die Schale fielen, packte sie Renlasol und bohrte ihm die Reißzähne in den Hals.
Der Thron kam plötzlich in Bewegung. Yilassa wollte dem Knappen helfen, indem sie verzweifelt versuchte, sich aus den verrenkten Leibern zu lösen. Ihr eigener Körper war wie gelähmt, der Bann des Meisters zu stark; über ein harmloses Zucken der Arme und Beine kam sie nicht hinaus. Tatenlos musste sie mit ansehen, wie dem Knappen das Blut von dem Königskind ausgesaugt wurde. Eine Träne löste sich aus ihrem Auge, lief auf ihrer erkalteten Wange herab und fiel auf Quadalkars Schulter.
»Du solltest nicht traurig sein, mein Kind.« Lächelnd drehte er sich zu ihr um und flüsterte: »Dir wird es nicht anders ergehen. Er wird Teil unserer Familie sein. Wir schenken ihm ewiges Leben. Verfluchtes Leben.«
In diesen Worten vermochte Yilassa keinen Trost zu finden. Nach allem, was ihnen im Land der Bluttrinker und zuletzt in der Halle des Königs begegnet war, konnte sie dem Fluch des Bluttrinkers keinen Vorteil abgewinnen. Im Gegenteil, das Leben in Dunkelheit kam ihr dekadent und seelenlos vor.
Renlasol wurde schwindelig, als Yabara unterhalb seines Ohres das Blut schmatzend aus den Adern sog. Sein Herz schlug hoch, pumpte das Blut schnell zur Bissstelle und in den Rachen der Bluttrinkerin. Alles drehte sich um ihn herum, während ihn die Bluttrinkerin festhielt und dadurch vor dem Umfallen bewahrte. Yabara hatte offensichtlich eine entscheidende Stelle an seinem Hals getroffen.
Als sie sich am Blut des Knappen gesättigt hatte und endlich ihren Griff lockerte, fiel Renlasol unweigerlich zu Boden. Er war durch den hohen Blutverlust bereits zu geschwächt, um wieder aufzustehen. Seine Beine wollten ihm nicht gehorchen und er fühlte sich müde. Unsagbar müde.
»Ich habe dir von seinem Lebenssaft übrig gelassen«, schmunzelte Yabara, während sie ihren Bruder ansah, »trink, bis er keinen Tropfen mehr in sich hat.«
Die Einladung, sich genüsslich am Blut des Knappen zu laben, ließ sich Nochtaro kein zweites Mal sagen. Er kniete sich neben Renlasol auf den Boden und grub seine Zähne in die Wunde am Hals, die Yabara zuvor geschlagen hatte. Das Blut rauschte in den Ohren des Knappen. Er spürte, wie mit jedem Schluck unaufhaltsam das Leben aus seinem Körper entwich. Bilder und Erinnerungen kamen ihm in den Sinn. Er sah seine Mutter und seinen Vater, die Heimat am Ostmeer, das Dorf Tayhg-Ralas, die blühenden Flachsfelder und das Mädchen Tallia. Ihr liebevolles Lächeln wärmte sein Herz. Sie rief ihm zu, er solle bleiben. Sie wolle ihn lieben und mit ihm alt werden.
»Geh nicht fort. Bleib bei mir. Hilf mir«, hörte er ihre Stimme flehen.
Plötzlich verwandelte sich ihr Gesicht in die Fratze einer Hexe mit schwarzen Haaren. Sie war trotz der Schwärze ihrer Augen immer noch schön, aber ebenso kalt wie böse. Eine helle Knabenstimme lachte in der Ferne. Das Bild verschwand, so schnell es gekommen war.
Renlasol dachte an Madhrab, der sein Vertrauen in ihn gesetzt hatte. Doch nun musste er den Lordmaster bitter enttäuschen. Yilassa, Pruhnlok, Sapius, Gwantharab, Brairac, Zachykaheira und all die anderen zogen an ihm vorbei. Bilder der Schlacht am Rayhin quälten ihn zuletzt.
Ich habe versagt , war der letzte Gedanke, den er bewusst wahrnahm.
Die Umgebung verschwamm vor seinem inneren Auge zu einem einzigen grauen Nebel, der dichter und dichter wurde, in die Lungen eindrang und ihm die Luft zum Atmen nahm. Kälte kroch in seine Glieder.
Aus dem Nebel kommend griffen die dunklen Schatten nach ihm und zogen ihn unwillkürlich zu sich in ihr Schattenreich. Er wehrte sich nicht und hatte keine Kraft mehr, sich den Schatten entgegenzustellen.
Es war vorbei.
T ARTYK, DAS L AND DER D RACHENREITER
D ie Reise auf dem Reelog endete für Sapius abrupt vor senkrecht und weit gen Himmel aufragenden Klippen. Sapius band sich los und rutschte schwerfällig wieder auf festen Boden. Seine Glieder schmerzten und waren steif vom rasend holprigen Ritt auf dem Reelog. Rücken und Gesäß brannten wie Feuer. Der Magier stöhnte.
»Danke«, sprach er an das Reelog gewandt, »du hast mir viel Zeit auf dem Weg nach Hause erspart.«
Das Reelog schnaufte, rollte mit den Augen,
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