Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
wunderte sich Yabara, die Renlasols Sachen durchwühlt hatte.
»Erbrich das Siegel und lies mir den Inhalt vor«, bat Quadalkar.
Yabara öffnete die Schriftrolle und las:
»Quadalkar, Saijkalsan, Vater und König der Bluttrinker.
Meinen Respekt will ich Dir entsenden. Ich schreibe Dir diese Zeilen mit der großen Bitte, die Überbringer der Botschaft zu verschonen und unbeschadet ziehen zu lassen.«
»Zu spät«, unterbrach Quadalkar die Königstochter, »einer von ihnen weilt bereits unter den Kriechern und die andere wird mir eine Zeit lang als Stütze des Blutthrons dienen. Fahr fort, Yabara.«
»Auf meinen Wunsch hin machten sie sich auf den Weg in Dein Land, um Dich zu suchen und Dir diese Nachricht zu bringen, die eine ungewöhnliche Bitte beinhaltet.
Du wirst Dich erinnern, einst begegneten wir uns auf Ell. Du, ein Saijkalsan, und ich, Sapius, auf der Suche nach einer Bestimmung und der Erfüllung meines Lebens. Du wolltest mich töten, doch stattdessen brachtest Du mich zu den Saijkalrae. Mein Blut schmerzte Dich. Du musstest von mir ablassen und fliehen.«
»Ja, ich erinnere mich dunkel an damals«, brummte Quadalkar grimmig, »ein zweites Mal entkommst du mir nicht, Sapius. Selbst wenn ich dein Blut nicht trinken kann, so steht es mir immerhin frei, dich zu töten. Lies weiter!«
» Ich sah Dich nie als das Monster, das die Klan aus Dir machten, wenn sie sich an ihren Feuern und in den Wirtshäusern schreckliche Geschichten aus längst vergangenen Tagen über Dich erzählten. Du bist ein mächtiger Saijkalsan. Größer, stärker und erfahrener als die meisten von uns.
Du warst es, der die Brüder in den ewigen Schlaf schickte und dadurch die Macht und die Magie auf Ell beschränkte. Doch der Fluch lässt nach. Der dunkle Hirte ist erwacht und streckt seine Hand erneut nach der Herrschaft über den Kontinent aus. Er wird das Leben vernichten und Ell seine unverkennbare Handschrift aufdrücken, wenn wir ihm keinen Einhalt gebieten. Alles Neue wird er zerstören und die Schatten heraufbeschwören.
Ich werde derweil herausfinden, wie der weiße Schäfer geweckt werden kann.«
»Ich weiß, wie der Bruder des dunklen Hirten geweckt werden kann«, grübelte Quadalkar laut nach, »ja, ich weiß es. Es gibt nur einen einzigen Weg. Und der gefällt mir nicht. Suche nur, Sapius. Ich bin gespannt, ob du ihn finden wirst oder ob du auch hierbei meine Hilfe brauchst. Komm jetzt langsam zum Ende, Yabara.«
»Noch ist es nicht zu spät. Der dunkle Hirte wird Zeit brauchen, um zu erstarken. Bis dahin muss es uns gelingen, den weißen Schäfer aus seinem Schlaf zu holen. Wir brauchen ihn wach, um den dunklen Hirten auszugleichen und die Saijkalrae ein weiteres Mal zu besiegen. Das Gleichgewicht gerät sonst aus den Fugen. Chaos und Dämmerung drohen. Das wäre unser aller Ende. Dein Ende genauso wie das Deiner Kinder oder meines. Du bist meine einzige Hoffnung. Du weißt, wie die Saijkalrae überwunden werden können. Hilf mir und vollbringe es noch einmal.«
Regungslos saß der König der Bluttrinker auf seinem Thron. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und der Blick starr auf Yabara gerichtet. Verwunderung stand in seinem Gesicht geschrieben. Plötzlich löste er sich aus der Erstarrung und begann lauthals zu lachen. Das Lachen schwoll zu einem Brüllen an. Quadalkar schüttelte sich und hielt sich den Bauch vor Lachen. Das Gelächter des Bluttrinkers erfüllte die Halle und wurde von den Wänden mehrfach zurückgeworfen.
» Was denkt sich dieser Irre, wer er ist?«, schrie Quadalkar zwischen zwei ausgedehnten Lachanfällen. »Ich bin Quadalkar. Seit über fünftausend Sonnenwenden schreite ich über diesen Kontinent. Lange bevor die Saijkalrae Ulljan töteten und die Macht an sich rissen. Ist das möglich? Weiß er denn wirklich nicht, wer ich bin? Der Älteste unter den Ahnen, der Grausamste, Blutigste, Mächtigste und Treueste unter den Saijkalsan. Ich bin der Diener des dunklen Hirten!«
Er ist wahnsinnig, dachte Renlasol und schloss noch im selben Lidschlag mit seinem Leben ab, vollkommen verrückt. Unsere Mission war vergebens. Wie konnte Sapius nur einem solchen Irrtum unterliegen? Es ist vorbei, wir werden niemals zurückkehren.
Da ergriff Yabara Renlasols Arm und zerrte den Knappen vor den Thron. Nur schwach fiel das Licht durch das Gitter bis auf den Boden. Fassungslos spähte Renlasol durch das Eisengitter und erblickte den blassen, blutleeren und mit zahlreichen Bisswunden übersäten
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