Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
für die Berufung zum Drachenreiter sei, ging er später dazu über, sich einen eigenen, einen anderen Weg zu suchen.
Sapius hatte die tief in sich ruhenden magischen Fähigkeiten stets gespürt und er wollte beweisen, dass er weit mehr war als nur ein an sich zweifelnder Tartyk bar jeder Magie, wie das sein Vater behauptete. Er entschloss sich nach langem Ringen dazu, den Weg eines Magiers zu gehen und sich den bei den Tartyk verhassten Saijkalrae als deren Diener und Saijkalsan anzuschließen. Sein Vater lachte ihn aus und verachtete ihn dafür. Er schickte ihn stattdessen zum Ausmisten der Drachenställe. Eine Demütigung für einen Sohn aus gutem Hause, die zwangsläufig zu einer Konfrontation führen musste.
Sie stritten, und das mit jedem Tag, an dem sich Sapius’ Entschluss weiter festigte, heftiger. Bis sich Vater und Sohn am Ende so weit zerfleischt und voneinander entfremdet hatten, dass Sapius kochend vor Wut seinem Vater ins Gesicht schlug und kurz danach im Zorn seine Heimat für immer verließ.
Sapius schüttelte sich und löste sich von den aufkeimenden Gedanken an sein beschwerliches Erwachsenwerden und seinen Befreiungsprozess, den er eigentlich erst kürzlich mit der Entscheidung, sich auch von den Saijkalrae abzuwenden, abgeschlossen hatte.
Er kannte die Gegend aus seiner Jugend und von den Reisen über den Kontinent. In der Nähe musste sich dem tosenden Geräusch nach der größte und höchste Wasserfall Ells befinden, der gut und gerne fünfhundert Fuß breit war. Seine reißenden Wassermassen stürzten mehr als tausend Fuß über die schwarzen Klippen in die Tiefe bis unter die Oberfläche und verschwanden mitten in einer seit Urzeiten frei gespülten Höhlenkammer. Das Wasser floss unterirdisch durch die Hauptstadt der Rachuren, Krawahta, Richtung Ostküste weiter und vereinigte sich dort mit dem Ostmeer.
Der Wasserfall war Sapius’ nächstes Ziel auf dem Weg in seine Heimat, denn unmittelbar von dort führten steil ansteigend schmale, in den Felsen gehauene Stufen auf das Hochplateau von Tartyk.
Entlang der Klippe verlief der Weg durch niedrig wachsende Büsche und Gestrüpp in Richtung Westen direkt zum Wasserfall. Sapius hielt inne, als er den Rand des Höhleneingangs nach einem anstrengenden Fußmarsch schließlich erreicht hatte. Regungslos und fasziniert starrte er den in den Tiefen der Höhle verschwindenden Wassermassen nach. Gischt und Wassertropfen hatten den Rand nass und glitschig gemacht. Der Magier musste sich daher vorsehen, nicht ins Rutschen zu geraten, abzugleiten und mit dem Wasser in die Tiefe gezogen zu werden. Ihm wurde schwindelig beim Anblick des sich bewegenden Wassers, das eine seltsame Anziehungskraft auf den Betrachter ausübte, gerade so, als wollte es ihm zuflüstern: Komm mit mir und erkunde die Tiefen der Unterwelt . Das wäre ein tödliches Unterfangen gewesen.
Im Licht der Sonnen hatte sich zu beiden Seiten des Wasserfalls, vom Höhleneingang hinauf bis zur oberen Kante der Klippen, jeweils ein in prächtigen Farben leuchtender Regenbogen gebildet.
Folge dem Regenbogen nach Tartyk , ging Sapius ein altes Lied seines Volkes durch den Kopf, dann gelangst du in das Herz deiner Heimat und findest den Frieden .
Er hatte die Worte des Liedes bislang nie verstanden. Jetzt begriff er plötzlich, was damit gemeint war. Entlang des Regenbogens führten die Stufen im Felsen nach oben. Der Regenbogen spiegelte sich auf der glatten, vor allem im unteren Bereich mit Moos bewachsenen Oberfläche der Stufen wider, wo sich auch das Wasser angesammelt hatte.
Sapius seufzte und begann den schweren und gefährlichen Aufstieg entlang des Wasserfalls in der Hoffnung, nicht zu Tode zu stürzen. Den Weg durch das Gebiet der Rachuren hatte er für sich ausgeschlossen. Die Begegnung an den Ufern des Rayhin hatte ihm vollauf gereicht.
Er kam nur mühsam und quälend langsam voran. Das steife Bein und der krumme Rücken behinderten ihn beim Klettern. Außerdem fand er auf den nassen, rutschigen Stufen nur unsicheren Halt. Binnen kurzer Zeit war er von innen wie außen durchnässt. Je weiter er nach oben gelangte, umso stärker frischte der Wind auf, blies ihm die Gischt des Wassers wie Nadeln ins Gesicht, ließ ihn bis auf die Knochen frieren und erschwerte das weitere Vorankommen erheblich. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, seit er mit dem Erklimmen der Klippe begonnen hatte. Vorsichtig spähte er in die Tiefe zurück. Von hier oben sah der Höhleneingang wie der
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