Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
verbarg. Die Stadt, sie war schon greifbar nahe. Sie musste fallen, geschwächt von Katastrophen und schutzlos, wie sie schon dastand. Es fehlte nur noch eine winzige Kleinigkeit. Ein Leichtes wäre es gewesen, sie zu erobern. Ich streckte meine Hand nach ihr aus, fühlte die eisige Kälte, ihren Glanz und ihren noch immer vorhandenen Reichtum … doch jemand schlug die Hand einfach beiseite. Ich musste sie rasch wieder zurückziehen und mein Traum verblasste. Was ist geschehen? Täusche ich mich oder solltet ihr sie nicht für mich einnehmen? Hatte ich euch in meinem Schlaf nicht genügend unterstützt?«
»Wir bereiteten uns auf eine Eroberung vor, Saijrae. Die Armee sammelte sich vor der Stadt. Aber die Eiskrieger kamen uns zuvor. Sie hatten die Tarnung entdeckt. Wir wurden von ihrem Angriff überrascht. Gegen das Schwert des Nordens und seine Eiskrieger waren wir nicht gewappnet«, antworteten die beiden Saijkalsan wie aus einem Mund und fassten sich gegenseitig Halt suchend an den Händen.
»Iskrascheer. Das Schwert der Alchovi? Ha … zwei Saijkalsan, vier magisch begabte Augen und eine ganze Armee lassen sich von einem einzelnen Schwert beeindrucken. Lächerlich. Euer Scheitern ist unverzeihlich. Ich bin offenbar von einer Runde Versagern und Gescheiterten umgeben. Ich sollte euch alle der ewigen Finsternis überlassen«, machte der dunkle Hirte seiner Verärgerung Luft.
Er packte Enymon überraschend am Kragen, zog ihn unsanft auf die Beine und hielt seinen Kopf fest mit einer Hand. Die Finger der anderen Hand des dunklen Hirten stießen vor, bohrten sich tief in die Augenhöhle des Saijkalsan und rissen das rechte Auge mit einem kräftigen Zug heraus. Enymon heulte verzweifelt auf, als das Blut aus der leeren Augenhöhle schoss. Sein Gefährte Raalahard sprang hastig auf und wollte ihm zu Hilfe kommen. Aber bevor er sichs versah, war der Leibwächter Hofna an seiner Seite, umklammerte ihn mit starken Armen und hielt den Saijkalsan zurück.
»Keine Sorge, Raalahard. Du kannst es kaum abwarten, nicht wahr? Gleich kommst du selbst an die Reihe. Zwei Augen sehen in eurem speziellen Fall bestimmt mehr als vier. Wenn ihr nicht mit einem Auge ständig auf euren zuckersüßen Geliebten geachtet hättet und, statt euch von eurem verabscheuungswürdigen Liebestaumel ablenken zu lassen, auf die Eroberung Eisbergens konzentriert hättet, gehörte die Stadt jetzt mir«, sagte Saijrae. Er ließ Enymon los, der sofort wieder auf die Knie fiel und sich laut jammernd die Hände schützend vor die nun leere Augenhöhle hielt. Der dunkle Hirte warf den Augapfel in die Luft, fing ihn geschickt mit geöffnetem Mund auf, kaute zweimal genüsslich darauf herum und schluckte ihn geräuschvoll hinunter.
»Zäh«, gab er schmatzend von sich, während er sich einige Fasern mit den spitzen Fingernägeln aus den Zähnen pulte.
Hofna hielt Raalahard von hinten an den Armen fest, damit der dunkle Hirte ungehindert zur Bestrafung schreiten konnte. Der Augapfel war genauso schnell und kompromisslos entfernt wie der Enymons und verschwand gleich darauf ebenfalls im Schlund des dunklen Hirten.
Raalahard sank zu Boden, nachdem ihn Hofna wieder frei gegeben hatte, und tat es Enymon gleich. Er jammerte und hielt sich die Hände vor sein Gesicht.
»Ich vermisse einige Gesichter unter euch, an die ich mich aus meinen Träumen gut erinnern kann. Warum sind sie nicht hier? Wo ist unser junger Hoffnungsträger, der stets skeptische Saijkalsan Sapius, der während des Schlafes zu uns kam und den ich an diesem denkwürdigen Tag nur zu gerne kennengelernt hätte? Und was ist aus Quadalkar geworden, der sich mir einst voll und ganz verschrieb, bevor er mich und meinen Bruder in den ewigen Schlaf sang?«, fragte Saijrae in die von der Bestrafung immer noch sichtlich beeindruckte Runde.
Malidor lächelte verwegen und suchte Blickkontakt mit dem glutäugigen Haisan, als er den Namen seines ehemaligen Lehrmeisters aus dem Mund des dunklen Hirten vernahm. Das Verhalten des einstigen Schülers entging Saijrae nicht.
Er wirbelte herum und sprang mit einem offenbar leichtfüßigen, weiten Satz auf Malidor zu und kam wiederum lautlos auf seinen Füßen zu stehen. Saijrae musterte Malidor durchdringend. Die tiefe Schwärze seiner Augen bohrte sich unnachgiebig in die vor Schreck weit aufgerissenen Augen Malidors und schien geradewegs bis in sein Innerstes zu strahlen. Malidor fühlte sich seinem Blick schutzlos ausgeliefert. Nackt und hilflos versuchte
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