Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Dunkeln. Offensichtlich war ihm daran gelegen, ihnen zur Flucht aus den Häusern zu verhelfen. Viele Fragen drängten sich Elischa über den unheimlichen Fremden auf. Sie war sich sicher, dass er hinter den Morden an der heiligen Mutter und Lordmaster Kaysahan steckte. Dennoch konnte sie sich nicht erklären, warum die heilige Mutter einen gewaltsamen Tod hatte sterben müssen und weshalb Lordmaster Kaysahan auf dem Weg zur Genesung getötet worden war. Die Mutmaßungen über die Hintergründe der Taten passten nicht zusammen, gleichgültig wie sie die Geschichten drehte, wendete, auseinandernahm und wieder neu zusammensetzte. Sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen hatte keinen Zweck. Elischa ging fest davon aus, dass sie früher oder später mit dem Attentäter konfrontiert sein würden.
Madhrab und Elischa sahen den Sonnenreitern nach, bevor sie sich selbst auf den beschwerlichen Weg durch die schneebedeckte Winterlandschaft zum Riesengebirge machten. Elischa wagte kaum, Madhrab nach den schrecklichen Erlebnissen während der Gefangenschaft im Kerker zu fragen. Sie konnte sich, Madhrabs mitgenommenem Aussehen, dem wortkargen Auftreten und den zahlreichen Narben und Wunden zufolge, ihren Teil denken.
Nach dreizehn Tagen auf der Flucht erreichten Madhrab und Elischa Madhrabs Heimatdorf Kalayan und versorgten sich dort mit Proviant und einigen nützlichen Ausrüstungsgegenständen für die Überquerung des Choquai. Sie waren durch verlassene und zerstörte Dörfer gezogen, gezeichnet von der Geißel der Schatten. Nur vereinzelt waren ihnen Klan begegnet, die ihr Heil in der Flucht vor der Seuche suchten und sich mit geringer Hoffnung auf den Weg Richtung Osten und Süden des Kontinentes gemacht hatten. Scheiterhaufen waren allerorts vorzufinden. Dort hatten die wenigen Überlebenden ihre toten Familienangehörigen und Freunde verbrannt.
Madhrab stellte Elischa seinen beiden Brüdern, der jüngsten Schwester Hira und seiner Mutter vor. Die beiden älteren Schwestern hatten inzwischen eigene Familien gegründet und waren vor einigen Sonnenwenden aus Kalayan weggezogen. Die Familie trauerte noch um Ajame, die mitsamt ihren Kindern der großen Flut in Eisbergen zum Opfer gefallen war. Jora hingegen war mit ihren beiden Kindern nach Tut-El-Baya gegangen und seitdem hatte niemand der Familienmitglieder eine Nachricht von ihr erhalten. Sie wussten nicht einmal, ob sie noch lebte oder welches Schicksal ihr in der Hauptstadt widerfahren war.
Die Orna wurde begeistert und herzlich in der Familie aufgenommen. Madhrab hatte Mühe, die angebotene Hilfe seiner leiblichen Brüder, der jüngere hieß Solhab und der mittlere Nythrab, abzulehnen. Sie waren enttäuscht, weil sie die Orna und ihren Helden nicht nach Eisbergen begleiten durften. Nach vielen Sonnenwenden der Abwesenheit sahen sie ihn endlich wieder. Doch unter welchen Umständen. Er war auf der Flucht und hatte keine Gelegenheit, ihnen von den Bewahrern, den Grenzkriegen und der Entscheidungsschlacht am Rayhin zu berichten. Wie sehr hatten sie sich auf die Rückkehr des Bruders und die Geschichten gefreut, die der Lordmaster der Bewahrer und Stolz der Familie mit Sicherheit erzählen könnte. Meist erfuhren sie in der Abgeschiedenheit ihres Dorfes Nachrichten nur von den durchziehenden Händlern und Karawanen während der wenigen Monde im Frühling und Sommer. Ob diese immer der Wahrheit entsprachen, ließ sich für die Dorfbewohner Kalayans selten überprüfen.
Aber Madhrab blieb in seiner Entscheidung hart. Der Weg über den Pass zu dieser Sonnenwendenzeit war Selbstmord. Niemand – außer seinen Brüdern und ihm selbst – hätte den Gang aus freien Stücken angetreten. Er wollte die beiden Männer, die ihm so sehr am Herzen lagen, nicht der Gefahr aussetzen oder sie gar in seine Schwierigkeiten mit den Bewahrern verwickeln. Wenigstens konnten er und Elischa die Gelegenheit nutzen und sich bei gutem Essen und in bequemen Betten einen Tag lang ausruhen. Madhrab nahm ein Bad und wechselte die Kleidung in der Hoffnung, mit dem Schmutz auch die Erinnerung an die Zeit der Folter abwaschen zu können.
Madhrabs Brüder warnten sie vor einem aufziehenden Schneesturm. Aber sie konnten nicht warten. Die Verfolger waren ihnen auf den Fersen. Madhrab ahnte, dass, sobald die Flucht entdeckt sein sollte, Chromlion eine unbarmherzige Jagd beginnen würde. Die Ordensbrüder würden alles daransetzen, ihn zu stellen. Sollte ihm und Elischa das Glück allerdings gewogen sein,
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