Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Seine drängenden Fragen würde ihm niemand beantworten. Möglicherweise war dies alles nur ein Traum. Renlasol hatte sich noch nicht entschieden, ob es ein guter oder schlechter Traum war. Und doch dachte er an einen Albtraum.
Yabara kniete neben ihm, eine leere, blutverschmierte Kristallschale in der Hand. Die Erinnerung an die jüngsten Ereignisse in der Burg des Bluttrinkers kehrte zurück: Sie hatten ihm, nachdem Yabara und Nochtaro ihn bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt hatten, das Blut Quadalkars eingeflößt. Geschwächt, wie er war, umnachtet und kurz vor dem Gang zu den Schatten hatte er das Blut in großen, gierigen Schlucken getrunken. Das Blut der Ahnen hatte sich zuerst wie Eis in seinen Adern angefühlt, das den Körper gefrieren und das Herz verlangsamen, aber auch erkalten ließ.
Nun verspürte er großen Hunger und musste an Blut denken, Unmengen von Blut, bis ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Das Mädchen, das er als Königskind kennengelernt hatte, sah in seinen Augen ebenfalls sehr verändert aus. Sein Blick hatte sich geschärft.
Sie half ihm auf die noch wackeligen Beine und stützte ihn, da er sich schwach und unsicher fühlte. Nochtaro reichte ihm ein weißes Gewand aus Wildseide, in das er sogleich schlüpfte. Hatte er Yabara zuvor als abstoßend empfunden und ihre Anwesenheit gefürchtet, so fand er ihre Erscheinung plötzlich als schön. Die Angst vor den Bluttrinkern war verschwunden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich einst vor ihnen gefürchtet hatte. Überhaupt erschien ihm die gesamte Umgebung in der Halle verändert, oder war er selbst es, dessen Wahrnehmung sich verändert hatte? Renlasol fiel auf, dass ihm seine Augen einen Streich spielen mussten. Es kam ihm so vor, als sehe er jetzt besser als noch zuvor und sei trotz oder gerade wegen der magischen Lichtverhältnisse wieder in der Lage, Farben in allen Abstufungen klar und deutlich zu erkennen und voneinander zu unterscheiden.
»Willkommen, mein Sohn«, hörte er Quadalkars Stimme, die ihm plötzlich väterlich in den Ohren klang, »du gehörst jetzt zu unserer Familie. Das Schicksal der Bluttrinker ist von nun an auch das deine.«
»Willkommen«, hörte er den Ruf aus hunderten von Kehlen der in der Halle versammelten neuen Schwestern und Brüder, »wir ehren des Königs Kind, dem wir fortan folgen wollen und die Treue schwören.«
»Jedes unserer Königskinder erhält anlässlich seiner Geburt ein Geschenk«, fuhr Quadalkar fort. »So ist es Tradition und so soll es auch bei dir sein. Yabara, Nochtaro, bringt meinem Sohn das Geschenk.«
Die beiden Königskinder verließen die Halle und kehrten wenig später mit einem Kriecher an ihrer Seite zurück. Wie einem bissigen Hund hatten sie dem Kriecher ein mit eisernen Nieten bestücktes Lederhalsband und einen Maulkorb umgelegt. Sie führten ihn an einer Kette in die Halle. Der Kriecher jammerte, fauchte und stieß fürchterliche Schreie aus, die nichts mehr von dem Wesen vermuten ließen, das er einst gewesen war.
»Er soll dir gehören«, betonte Quadalkar, »erkennst du ihn nicht wieder? Im Augenblick ist er noch etwas verwirrt und hat großen Hunger. Er kann an nichts anderes denken als an Blut. Die Gier nagt ungehemmt an ihm. Lehre ihn rasch, sich zu beherrschen und deinem Wort zu folgen. Würden wir ihn nicht mit der Kette im Zaum halten, fiele er über alles und jeden her und machte selbst vor den Bluttrinkern nicht halt. Er ist noch jung, unerfahren und ungestüm. Es ist deine Pflicht, ihn zu zähmen und ihm alles Notwendige für das neue Leben beizubringen. Er wird dir bedingungslos gehorchen, wenn du es richtig machst.«
Erst als der Kriecher nackt und elendiglich vor ihm auf allen vieren saß, erkannte Renlasol in ihm seinen einstigen Gefährten Pruhnlok wieder. Der Küchenjunge sah beinahe aus wie all die anderen Kriecher, nur fetter, und doch, trotz aller Verzerrungen und der massiven Veränderungen, die Pruhnlok während der Verwandlung durchgemacht hatte, waren seine Gesichtszüge noch entfernt als die von Renlasols Freund zu erkennen.
»Ich danke dir für dieses großzügige Geschenk, Vater«, sagte Renlasol, das Haupt vor dem König der Bluttrinker verneigend.
»Es freut mich, dass es dir gefällt und du es annimmst«, meinte Quadalkar. »Du musst trinken, um wieder zu Kräften zu kommen. Geh auf die Jagd und nimm deinen Kriecher mit. Yabara wird dir mit Freuden zeigen, wie du ein wahrer Bluttrinker wirst.«
»Was wird mit Yilassa
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