Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
ihren. Ein Mann aus den Bergen, der in der verschworenen Dorfgemeinschaft mit seinen Brüdern unter seinesgleichen aufgewachsen war. Niemand durfte sich erdreisten, seinen Ruf in den Schmutz zu ziehen oder die Ehrenhaftigkeit Madhrabs anzuzweifeln. Wer dies dennoch tat, beleidigte das gesamte Dorf, trat ihren Stolz und ihre Ehre mit Füßen und traf jeden Einzelnen, der sein entbehrungsreiches Leben am Fuße des Choquai verbrachte, wie mit einem Faustschlag ins Gesicht.
»Beantwortet mir eine Frage«, Chromlion ließ sich durch das ihm entgegenschlagende Misstrauen nicht irritieren, »zog Madhrab in Begleitung einer Orna in den vergangenen Tagen durch euer Dorf?«
Der Lordmaster erntete nichts weiter als Schweigen.
»Nun denn, ihr müsst nicht antworten«, erklärte Chromlion, »aber es wäre besser für euch, wenn ihr den Bewahrern mehr Entgegenkommen zeigen würdet. Wir wissen, dass sich der Geächtete im Dorf sehen ließ. Ich schlage also vor, dass ihr mit uns zusammenarbeitet. Denn ich schätze es nicht, wenn ich keine Antwort oder gar eine Lüge aufgetischt bekomme. Eure Weigerung könnte euch schlecht bekommen. Was wollte Madhrab im Dorf?«
Wieder erhielt er keine Antwort. Die Einwohner zeigten sich stur und unbeeindruckt ob der Drohungen des Bewahrers.
Der Lordmaster stellte keine weiteren Fragen. Stattdessen zog er das singende Schwert Solatar aus der Scheide auf seinem Rücken. Die Waffe, die einst Madhrab geführt und mit der er die Rachuren zurückgeschlagen hatte. Das Schwert heulte schrill auf, als sei es unsanft aus dem Schlaf geweckt worden. Mit vor Stolz geschwellter Brust wollte er es der versammelten Dorfgemeinschaft zeigen. Eine Geste der Einschüchterung sollte das singende Schwert darstellen. Aber Chromlion war kaum in der Lage, Solatar richtig zu halten. Verkrampft fasste er das Schwert mit beiden Händen am mit zahlreichen Kristallen und Runen verzierten Knauf. Die Arme des Bewahrers zitterten ungewohnt und sein Kopf lief vor Anstrengung rot an. Durch die ungebührliche Haltung, die ihm das Gewicht und die Größe Solatars aufzwangen, wirkte der Einschüchterungsversuch auf die zwangsweise Versammelten unpassend, ja sogar lächerlich.
Chromlion grämte sich, weil ihm das Blutschwert ganz offensichtlich zu schwer war und er es nicht beherrschen konnte. Sosehr er sich auch mühte und sooft er selbst während der Tage der Verfolgung geübt hatte, Solatar war für ihn nutzlos. Er würde es niemals führen können. Dieses Schwert war augenscheinlich nicht für ihn bestimmt.
Verärgert warf er das Blutschwert zu Boden und wies einen Sonnenreiter barsch an, ihm seine Axt zu reichen. »Hebt das auf«, brüllte er die umstehenden Sonnenreiter an, während er auf Solatar deutete, »und entfernt es aus meinen Augen.«
Die Sonnenreiter warfen sich fragende Blicke zu, bis sich schließlich zwei Kameraden einig waren und Solatar aufhoben. Sie mussten es zu zweit tragen, für einen alleine wog das Blutschwert zu viel.
»Du …«, Chromlion deutete mit dem Finger auf einen groß gewachsenen Dorfbewohner, der ihm bereits zuvor aufgefallen war, »… komm her.«
Der Mann näherte sich vorsichtig und mit gesenktem Kopf dem Lordmaster.
»Du siehst Madhrab sehr ähnlich«, stellte Chromlion fest, »aber vielleicht täusche ich mich und du bist nur einer dieser durch Inzucht entstandenen Bergbauern, die alle aussehen wie er.«
»Nein, Lordmaster«, der Mann hob den Kopf und sah Chromlion direkt in die Augen, »Madhrab ist mein Bruder.«
»Dann wirkt das Urteil der Bewahrer auch gegen dich«, der Lordmaster. »Wenn du aber dafür sorgst, dass ich die Antworten erhalte, die ich erwarte, und uns dabei hilfst, unbeschadet über den Choquai zu gelangen, könnte ich mir überlegen, Milde walten zu lassen und von einer Bestrafung abzusehen.«
»Ich bin kein Verräter an meinem eigenen Fleisch und Blut, Herr«, antwortete Madhrabs Bruder.
»Wir werden ja sehen …« Chromlion deutete auf einen weiteren Mann, der sich in einer Ecke im Schatten verborgen gehalten hatte, und winkte diesen mit einer herrischen Geste zu sich heran. »Eine frappierende Ähnlichkeit«, begrüßte er den Neuankömmling, »ich nehme an, du gehörst ebenfalls zu Madhrabs Sippe.«
»Ja, Lordmaster«, nickte der Mann, der einige Sonnenwenden jünger wirkte als sein Bruder.
»Wie steht es mit dir?«, fragte der Bewahrer. »Wirst du mir sagen, was ich wissen will, und uns den Weg über den Choquai weisen?«
»Nein, Herr«, antwortete
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