Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
und nein. Ich konnte nicht im Haus des hohen Vaters bleiben. Ihr weihtet mich in Eure Fluchtpläne ein. Zumindest teilweise, als ich der Orna Eure Nachricht überbrachte. Meine Möglichkeiten nutzend nahm ich die Gelegenheit wahr und folgte Euch ungesehen auf Eurem Weg zum äußeren Tor. In der Annahme, Ihr würdet Eure Heimat aufsuchen und vielleicht die Sicherheit des Überwinterns in Eisbergen wählen, war es nicht schwer, den richtigen Weg bis hierher ins Riesengebirge und zum Pass zu finden.«
Madhrab sah Elischa an und schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte nicht fassen, dass der Junge ihnen einfach durch den Winter gefolgt war und ihren Weg vorausahnen konnte. Was verbarg Madsick vor ihm? Welches Geheimnis trug der Junge mit sich herum, und vor allen Dingen, war er noch imstande? Der Lordmaster fragte sich ernsthaft, ob er die Gefahr eingehen und den Jungen am Leben lassen konnte.
»Das war sehr dumm von dir, Junge«, sagte er, »was soll ich nun mit dir machen? Vielleicht töte ich dich, damit du unsere Flucht nicht gefährdest.«
Elischa hatte die Hütte inzwischen ebenfalls betreten und erstarrte beim Anblick des Jungen. Ihre Stimme zitterte, als sie das Wort an ihn richtete, nachdem Madhrab ihn losgelassen hatte.
»Hast du auf der Flucht jemanden getötet?«, wollte sie wissen.
Madsick blickte die Orna aus großen Augen verständnislos an.
»Ich? Nein. Niemals könnte ich einen Sonnenreiter, geschweige denn einen Bewahrer überwinden.«
»Heimtückisch und unbemerkt von hinten vielleicht schon«, warf Madhrab ein.
»Ich war das nicht. Das müsst Ihr mir glauben«, wehrte sich Madsick gegen den Vorwurf.
»Aber du hast mit angesehen, was geschehen ist«, behauptete Elischa.
Madsick nickte heftig mit dem Kopf. Es gab keinen Zweifel, er hatte alles mit eigenen Augen gesehen. Vielleicht wusste er mehr, als er Madhrab und Elischa bislang gesagt hatte. Denn wenn er es nicht selbst war, dann musste er den Attentäter gesehen haben, schließlich war er bis zum Tor in gebührendem Abstand hinter ihnen geblieben. Endlich hatte Elischa eine Erklärung für die Beobachtungen, die sie auf dem Weg nach draußen, insbesondere in der Dornenebene, gemacht hatte. Madsick musste der Schatten gewesen sein. Sie wusste, wie geschickt sich der Junge bewegen konnte.
Was, wenn dieser seltsame Junge doch ein Mörder ist und uns hinters Licht führen will? Oder gibt es etwa einen Zweiten, der sich ähnlich schleichend wie ein Geist ohne festen Körper im Verborgenen bewegen kann?, fragte sie Elischa.
»Ja, ich habe gesehen, was sich während der Flucht ereignet hat.«
»Hast du den Mörder gesehen?«, bohrte Madhrab nach.
»Nur den Schemen eines Mörders und noch ein klein wenig mehr«, gab Madsick zu.
»Was oder wen genau hast du erkannt? Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Junge. Rede mit uns!« Elischa zeigte sich ungeduldig.
»Was auch immer er war oder vorgab zu sein, er war nicht wirklich und hatte doch die Statur des Bewahrers. Das Gesicht mit leeren Augen war das eines Bewahrers. Aber er war ein schwarzer Geist, der sich ungesehen und frei durch die Anlagen des Hauses bewegen durfte. Es gibt ihn schon länger und ich kannte ihn, weil er sich oft im Kerker herumtrieb und die Grube aufsuchte. Ich sah ihn dort und versteckte mich vor ihm. Er besitzt keine Seele und ist abgrundtief böse. Er war es, der die heilige Mutter tötete. Eine Schöpfung der Magie. Gewiss ein schwieriger und dunkler Zauber, den nur ein sehr erfahrener Magier vollziehen kann.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Elischa erstaunt.
»Mein Vater erzählte mir viel. Wir hatten Zeit im Verlies des hohen Vaters, während Vater die Gefangenen befragte. Er sammelte unzählige Informationen. Wichtiges, und Belangloses.«
»Befragen? Foltern träfe es weit besser. Weißt du, wer den Geist erschuf?«, fragte Madhrab.
»O ja, ich erinnere mich gut an die Geschichte. Vater meinte, der Overlord habe sich oft mit Ritualen beschäftigt und den Geist eines Tages beschworen, der in ständiger Verbindung mit ihm stand und ihm gehorchte, wenn er ihn rief.«
»Boijakmar? Wie kann das sein? Der hohe Vater würde sich niemals mit der Dunkelheit einlassen«, antwortete Madhrab entsetzt.
In diesem Moment brach eine Welt für Madhrab zusammen. Boijakmar war für ihn stets wie ein Vater gewesen. Er hatte Madhrab durch die Ausbildung begleitet und unter seinen persönlichen Schutz genommen. Ein starker, und gerechter Mann, der ihm geholfen hatte,
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