Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
nicht unnötig in Gefahr begebt. Ihr werdet mehr als je zuvor gebraucht.«
Der Fürst konnte Unheil riechen und verspürte ein Kribbeln in seinen Fingerspitzen, wenn eine Bedrohung zu erwarten war. Seit den Katastrophentagen seiner Stadt war ihm der Gedanke eines mächtigen Gegners nicht aus dem Sinn gegangen. Ein Feind, der sich nicht offen zeigte. Noch nicht jedenfalls. Ein aus dem Verborgenen agierender Magier vielleicht, der Übles ausheckte, die Klanlande bedrohte und sogar vermochte, die Sonne mit seinen Händen zu beschmutzen. Wer außer dem dunklen Bruder der Saijkalrae sollte zu einer solch schändlichen Tat in der Lage sein und ein Interesse an einer Zeit der Dämmerung haben? Ihm fiel niemand anderer ein. Die weitaus brennendere Frage war jedoch, wer dem dunklen Hirten und seinen Dienern Einhalt gebieten sollte? Wenn es Corusal einem Mann zutraute, den Bruder der Saijkalrae zu überwinden, ohne selbst Magier zu sein, dann war das Madhrab.
Während der Fürst und der Bewahrer über die Zukunft des Ordens der Sonnenreiter sprachen, kämpfte Elischa um ihr eigenes und das Leben ihres Kindes. Niemand außer der Fürstin ahnte, in welch tödlicher Gefahr die Orna schwebte und welche Qualen sie litt.
Es war eine schwere Geburt, deren Fortgang ins Stocken geraten war. Elischa verlor zu viel Blut und wurde mit jeder Wehe zusehends schwächer. Nachdem sich die Nacht über Eisbergen gelegt hatte, die sich in ihren Lichtverhältnissen im Norden des Kontinents nur unmerklich vom Tag unterschied, trat Alvara mit sorgenvoller Miene aus ihrer Kammer und bat den Fürsten, ihr eine große Zange zu besorgen. Die Fürstin sah blass aus und wirkte ermattet.
Madhrab war in den letzten Horas dazu übergegangen, ungeduldig im Flur vor der Kammer hin und her zu laufen, wobei er mit jeder Runde eine zunehmend tiefere Spur im Eisboden hinterließ. Zwar hatte Corusal für den Bewahrer und sich selbst Stühle kommen lassen, doch während es sich der Fürst einigermaßen behaglich gemacht hatte und mittlerweile eingenickt war, hatte es Madhrab nicht auf dem Stuhl gehalten. Er kam sich nutzlos vor und die Hilflosigkeit machte ihn nervös.
»Was ist geschehen?«, wollte Madhrab zutiefst erschrocken sofort wissen, als er Alvara erblickte.
»Nichts. Aber wir kommen nicht weiter. Ich bin ratlos«, seufzte sie knapp.
»Kann ich denn nichts tun, was Elischa helfen könnte?«
»Betet zu den Kojos, dass sie und das Kind die Geburt heil überstehen werden, Madhrab. Zeigt Euch geduldig und wartet. Ihr müsst zuversichtlich sein. Wir werden es schon schaffen und das Kind nach Kryson bringen.«
»Bitte, Alvara. Geht es Elischa nicht gut?«
»Nein«, antwortete die Fürstin, »ihr Zustand ist kritisch. Wenn wir mit der Zange nicht weiterkommen, werden wir vielleicht schneiden müssen. Lasst uns hoffen, dass es nicht so weit kommen wird. Das wäre sehr schwierig für sie. Aber wenn Ihr Euch tatsächlich nützlich machen wollt, dann geht und sucht eine der erfahrenen Mütter in Eisbergen, die nicht nur ihre eigenen Kinder zur Welt gebracht hat. Findet sie und führt sie zu uns. Ich könnte eine helfende Hand mit reichlich Erfahrung gut gebrauchen.«
»Wo soll ich suchen?«
»Geht vom Palast in Richtung Hafen. Auf halbem Weg führt eine Abzweigung Richtung Riesengebirge im Süden zum Geburtshaus von Eisbergen. Es ist ein großes Schneehaus mit sieben Etagen. Ihr könnt es im Grunde nicht verfehlen. Vor dem Eingang steht die Eisskulptur einer Mutter, die ihr Kind auf den Armen trägt. Dort werdet ihr fündig werden. Sollte ein Heiler verfügbar sein, bringt Ihn gleich mit.«
»Aye«, nickte Madhrab.
Dankbar, endlich etwas beitragen zu dürfen, machte er sich eilenden Schrittes auf den Weg aus dem Palast zum Geburtshaus von Eisbergen.
*
Mit lautem Getöse brach Belrod wie eine Naturgewalt aus dem Dickicht und blieb bei dem sich ihm bietenden Anblick des Grauens wie angewurzelt stehen. Zwischen den Bäumen wand sich unter Schmerzen mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen, von unsichtbaren Seilen gehalten und kopfüber hängend, ein blutüberströmter Körper. Die Haut hing dem Opfer in Fetzen von Gesicht und Oberkörper, als handle es sich um gerade erst erlegtes Wild, dem das Fell abgezogen worden war. Belrod hatte Mühe, den Naiki zu erkennen. Doch ihm war klar: Es musste sich um Taderijmon handeln. Unsicher wechselte er von einem Bein auf das andere und wog dabei seinen massigen Oberkörper hin und her. Zorn und Verzweiflung stiegen
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